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ZA 8216 | Einkommen | Desai, Ashok V., Reallöhne in Deutschland von 1871 bis 1913. |
143 Zeitreihen (1820 - 1937) 15 Tabellen |
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Bibliographical information
Study number: ZA 8216
Study title: Reallöhne in Deutschland von 1871 bis 1913.
Survey or investigation period: 1820 - 1937
Primary researcher: Desai, Ashok V.
Publication (printed publication): Desai, A.V., 1968: Real Wages in Germany 1871 – 1913. Oxford: Clarendon Press.
Recommended citation (dataset): Desai, A.V., 1968: Real Wages in Germany 1871 – 1913. Oxford: Clarendon Press.
Daten entnommen aus:
GESIS Datenarchiv, Köln. histat.
Studiennummer 8216
Datenfile Version 1.0.0
Study title: Reallöhne in Deutschland von 1871 bis 1913.
Survey or investigation period: 1820 - 1937
Primary researcher: Desai, Ashok V.
Publication (printed publication): Desai, A.V., 1968: Real Wages in Germany 1871 – 1913. Oxford: Clarendon Press.
Recommended citation (dataset): Desai, A.V., 1968: Real Wages in Germany 1871 – 1913. Oxford: Clarendon Press.
Daten entnommen aus:
GESIS Datenarchiv, Köln. histat.
Studiennummer 8216
Datenfile Version 1.0.0
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Study description:
Das Studium der Löhne in Deutschland hat eine lange Tradition. Dabei lag das Schwergewicht der Erfassung sowohl bei Betriebslöhnen, Löhnen bestimmter Branchen oder Arbeiterkategorien als auch in der Ermittlung von langfristigen gesamtwirtschaftlichen Nominal- und Reallöhnen. Die Studie von Ashok V. Desai über die Entwicklung der Reallöhne im Kaiserreich zwischen 1871 und 1913 bildet einen wichtigen Baustein zur gesamtwirtschaftlichen lohngeschichtlichen Forschung. Ihr wurde ein beachtliches Maß an Originalität und methodische Mustergültigkeit zugeschrieben. Für den Aufschwung der historischen Lohnforschung in den 50er und 60er Jahren ist allerdings vor allem zunächst der herausragende Beitrag von Jürgen Kuczynski zu nennen. „Die neuere lohngeschichtliche Forschung in Deutschland ist unlöslich mit Jürgen Kuczynski verbunden. Zwar bilden die Studien zur Lohngeschichte in seinen weit gefächerten, schier unübersehbaren Schaffen nur einen Teilbereich, doch einen wichtigen, der sich durch sein ganzes Werk hindurch zieht und eines von dessen Kernstücken bildet“ (Kaufhold, K.H., 1987: Forschungen zur deutschen Preis- und Lohngeschichte (seit 1930). In: Historia Socialis et Oeconomica. Festschrift für Wolfgang Zorn zum 65. Geburtstag. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, S, 83). Mit seinen ersten langen Reihen der Nominal- und Reallöhne in Deutschland auf breiter empirischer Grundlage regte er damit weitere Forschungen an. Von nicht wenigen wurden seine Zahlen und Schlussfolgerungen mit Skepsis aufgenommen, insbesondere deshalb, weil Kuczynski in der Diskussion um die langfristige und zukünftige Entwicklung des Lebensstandards (der Arbeiter) auf seiner pessimistischen Position beharrte. Der von Kuczinski konstruierte Lohnindex basiert hauptsächlich auf Veröffentlichungen der Gewerkschaften sowie auf den Berichten zahlreicher Handelskammern (vgl. Kuczynski, J., 1953: Die Geschichte der Arbeiter unter dem Kapitalismus. Bd. 1: Die Geschichte der Lage der Arbeiter in Deutschland von 1789 bis in die Gegenwart. 6. verb. A. Berlin). Die größten Schwächen liegen in seiner methodischen Inkonsistenz und seiner erheblich eingeschränkten Repräsentativität. So gehen sowohl Tariflöhne als auch tatsächlich gezahlte Löhne in seine Berechnung ein. Andererseits bleiben wichtige Industrien wie z.B. das nahrungsmittel- und Bekleidungsgewerbe unberücksichtigt. Die Lohnangaben für die Landwirtschaft beruhen häufig auf Schätzungen oder sind Berechnungen, denen ungenügendes Material zugrunde liegt. Löhne für die Heimarbeit bleiben in der Indexberechnung unberücksichtigt. Überdies ist die Repräsentativität des Index auch in regionaler Hinsicht kaum gegeben, da den Städten gegenüber ländlichen Regionen ein zu großes Gewicht zukommt.
Die Nominal- und Reallohnindizes von Kuczynski stießen bei vielen Autoren auf Interesse und regten so zu weiteren Untersuchungen an. Den Anfang machte die vergleichende Untersuchung der Autoren Phelps Brown und S.V. Hopkins (Brown, E.P./Hopkins, S.V., 1950: The course of wage rates in five countries, 1860-1937. Oxford Economic Papers, S. 226-296). Auf der Grundlage von Kuczynskis Lohnindizes behaupteten sie für die Periode von 1860 – 1937, das Wachstum der Reallöhne habe sich in Deutschland wie in Großbritanien, Frankreich und den USA verlangsamt. Auch Gerhard Bry übernahm die Nominal- und Reallohnindizes von Kuzcynski neben einer Vielzahl weiterer Daten aus der amtlichen Statistik und aus privaten Erhebungen (Bry, G., 1960: Wages in Germany1871-1945. Princeton). Die von Bry zur Konstruktion eines allgemeinen Lohnindex angewandten Methode unterscheidet sich nur unwesentlich von der Vorgehensweise Kuczynskis. Die Unterschiede beschränken sich auf die der Indexberechnung für verschiedene Industriezweige zugrunde liegenden Lohnreihen. Der erste gewichtige deutsche Beitrag, der sich zugleich von Kuczynski löste, kam von Franz Grumbach und Heinz König. In seiner 1957 veröffentlichten Studie erarbeiteten sie für die Industrielöhne zwischen 1888 und 1954 einen Gesamtindex sowie 14 Indizes für sechs Industriezweige, der auf der Statistik der Unfallversicherung beruhte und damit unabhängig von Kuczynski ermittelt worden war (Grumbach, F./König, H., 1957: Beschäftigung und Löhne der deutschen Industriewirtschaft 1888-1954. In: Weltwirtschaftliches Archiv, 79, S. 125-155). Im Gegensatz zu den bisher genannten Studien berechnen Grumbach und König Tagesverdienste.
In der Studie von Desai wurde der durchschnittliche nominale Jahresverdienst ebenfalls auf der Basis der Berichte der Berufsgenossenschaften an das Reichsversicherungsamt über die in der Unfallversicherung versicherten Personen und ihr Einkommen errechnet. Desai beschränkt sich auf die industriellen Löhne, da nur für sie in den Veröffentlichungen des Reichsversicherungsamtes wenigstens seit 1887 zuverlässige lange Reihen zur Verfügung stehen. Da die Versicherungsbeiträge nach der Höhe des Einkommens der Versicherten bemessen werden, vertritt Desai die Auffassung, die Unterlagen der Berufsgenossenschaften und die daraus entwickelten Statistiken des Reichsversicherungsamtes zur Berechnung eines Index der Lohnentwicklung nutzen zu können. Desais Arbeit erwies sich darüber hinaus vor allem hinsichtlich der Berechnung eines neuen Index der Lebenshaltungskosten und damit für die Beurteilung der Reallohnentwicklung als ergiebig, weil er von dem Modell der typischen Arbeiterfamilie ausging. „F. Grumbach and H. König have used the same sources to derive indices of industrial earnings. The main differences between their series and ours are: (a) we have adopted the industrial classification followed by the Reichsversicherungsamt, while Grumbach and König have made larger industrial groups, (b) we have calculated average annual earnings, while they claim to have calculated average daily earnings (i.e. to have adjusted the annual figures for the average number of days worked per year per worker), and (c) they have failed to correct distortions in the original data” (Desai, A.V., 1968: Real Wages in Germany 1871 – 1913. Oxford. Clarendon Press, S. 4). Desai hat einen ausführlich begründeten Ausgleich der durch unterschiedliche statistische Erhebungsmethoden entstandenen Verzerrungen vorgenommen (vgl. Desai, a.a.O., S. 7-13).
Der Gesamtlohnindex von Desai setzt sich im Wesentlichen aus zwei Indizes zusammen, die um 1888 zusammengefügt wurden. Hierbei verwendet Desai für die Periode von 1887 bis 1913 die gleiche Berufsgenossenschaftsstatistik wie Grumbach und König, doch arbeitete er mit detaillierteren Industriegruppen, die den Unterschied in den Indizes zwischen Grumbach und König zum Teil erklären. Ferner berichtigte Desai die Daten, um die Löhne vor 1903, die teilweise falsch ermittelt waren, mit den tatsächlich verdienten Löhnen nach 1903 vergleichen zu können. Da für den Zeitraum 1903 bis 1913 in den Beitragsstatistiken bei vielen Berufsgenossenschaften zwischen tatsächlichem und anrechnungsfähigem Verdienst unterschieden wird, analysiert Desai die Differenz zwischen beiden Endsummen und entwickelt daraus Hochrechnungsfaktoren für den Zeitraum von 1887 bis 1902. Auf der Grundlage dieser Angaben entwickelt Desai auch Schätzungen der Durchschnittslöhne in den Industriezweigen, für die diese Daten nicht vorliegen.
Der Gesamtlohnindex von Desai für die Periode von 1871 bis 1886 beruht auf den Daten von nur sechs Industriegruppen (im Gegensatz zu dem relativ umfassenden Material für die Zeit nach 1887): Kohlebergbau, Bauindustrie, Druckereiwesen, Maschinenbau, Baumwollindustrie und Stahlindustrie. Da für den Zeitraum von 1871 bis 1886 keine Statistiken des Reichsversicherungsamtes vorliegen, greift Desai vor allem auf Gewerkschaftsstatistiken, Firmenstatistiken und auch auf die von Kuczinski und Bry (Bry, G., 1960: Wages in Germany 1871-1945. Princeton) veröffentlichten Daten zurück. Desai wählte diejenigen Reihen von Kuczinski und Bry für die Periode vor 1883 für den Gesamtindex aus, die am ehesten seinen Lohndaten der Periode nach 1888 entsprachen (Desai, a.a.O., S. 16f). In einem abschließenden Schritt verknüpft Desai mittels einiger Rechenoperationen die auf anderen statistischen Grundlagen basierenden Daten von 1871 bis 1891 mit den überwiegend auf Schätzungen basierenden Daten von 1887 bis 1913 und den hinlänglich zuverlässigen Daten von 1903 bis 1913 zu einer durchgängigen Zeitreihe, die die Entwicklung des Durchschnittslohnes in indizierter Form widerspiegeln soll. „This series is most reliable in its last part – from 1903 to 1913. The 1887-1902 section is based on distorted earnings and has somewhat smaller coverage. The shortcomings are more serious before 1887. They are due to the fixed weighting, restricted coverage, and the fact that the series before 1887 are based on statistics of wage rates and earnings in individual industries” (Desai, a.a.O., S. 17).
Um einen Reallohnindex zu berechnen, benötigt man einen Index der Lebenshaltungskosten. Der Preisindex für die Lebenshaltung ist ein geeigneter Deflator, um aus den nominalen Lohnangaben reale, d.h. um den Einfluss von Preissteigerungen bereinigte, Durchschnittslöhne zu berechnen. Lange Zeit war der Preisindex für die Lebenshaltung von Kuczynski ohne Konkurrenz. Die wesentlichen Mängel dieses Index sind darin zu sehen, dass er nur Nahrungsmittel- und Mietpreise in die Berechnung der Preisentwicklung für die Lebenshaltung einbezieht. Die Nahrungsmittel- und Mietpreise wurden dabei im Verhältnis 3:1 gewichtet. Eine Begründung für diese Gewichtung liefert Kuczinski nicht. Kuczinski bildet schließlich seinen Index durch unvollständige städtische und regionale Preisindizes, dessen Aggregationsmethode er aber nicht erklärt.
Desai hat in seiner Studie einen völlig neuen Index der Lebenshaltungskosten vorgeschlagen, der zwei Vorteile gegenüber dem älteren hat: (1) Der Index umfasst nicht nur Nahrungsmittel- und Mietpreise, sondern auch Kleider-, Brennstoff- und Beleuchtungspreise; (2) man weiß genau, was für Gewichte die verschiedenen Preise in dem Gesamtindex bekommen. Während sich Kuczynski für die Gewichtung auf relativ grobe Schätzungen verließ, beruht die Schätzung bei Desai im Wesentlichen auf der 1907/08 vorgenommenen „Erhebung von Wirtschaftsrechnungen minderbemittelter Familien im Deutschen Reich“ (in: 2. Sonderheft zum Reichsarbeitsblatt, Berlin 1909). Allerdings hat Desais Gewichtung eine nur schmale Basis, da er nur 13 der insgesamt dort erfassten 852 Familien berücksichtigte, deren Jahreseinkommen zwischen 600 und 1200 Mark lag. Es scheinen Zweifel angebracht, ob die Ausgabenstruktur dieser Haushalte hinreichend repräsentativ ist, um den Preisindex für die Lebenshaltung auf alle Privathaushalte generalisieren zu können.
Je nach Auswahl der Lohnbasis und den Berechnungsmethoden unterscheiden sich die Lohnbewegungen. So beginnen Kuczynski und Bry (die die gleichen Lohndaten zugrunde legen) bei einem hohen Lohnniveau in der Periode 1871-1875, so dass die Steigerung der realen Bruttolöhne nach dem Konjunkturaufschwung seit 1895 nur noch gering ausfallen können. Dagegen bewegen sich die Bruttolöhne von Desai ond Orsagh im ersten Jahrfünft auf einem erheblich tieferen Niveau und erreichen 1891-1895 nicht einmal den Index von Kuzcynski und Bry der Jahre 1871-1895. Im Unterschied zu Kuzcynski, Brown/Hopkins und Bry diagnostizierte Desai für das Kaiserreich einen stärkeren und regelmäßigeren Anstieg der realen Bruttolöhne in der Industrie. Bezogen auf das Jahr 1895 steigt der Reallohnindex bei Desai bis 1913 auf 125%, während der Löhne bei Kuczynski im gleichen Zeitraum nur um 12% steigen, da bei diesem seit der Jahrhundertwende die Reallöhne praktisch stagnieren.
Eine Schätzung der Reallöhne ist mit noch größeren Unsicherheiten behaftet, denn in einer sich schnell wandelnden Wirtschaft wie der des Kaiserreichs erleben wir nicht nur rasche Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten, auch die stark unterschiedliche Zunahme der Erwerbstätigkeit in verschiedenen Industriebranchen veränderte die Lebensführung. So weist auch die Tabelle der verschiedenen Schätzungen von Reallöhnen deutliche Unterschiede auf. Ein relativ niedriger Nominallohn- und ein relativ hoher Lebenshaltungskostenindex (Desai) im Jahr 1871 führte zu einer niedrigen Ausgangsbasis. Umgekehrt ist es bei Kuczynski, dessen Reallohnindex zwischen 1871 und 1913 lediglich um 30 Prozentpunkte ansteigt, während der Index von Desai fast das Doppelte erreicht. Alle Autoren, die sich mit Lohnbewegungen im Kaiserreich befassten, stimmen weitgehend darin überein, dass sich seit der Gründerkrise sowohl die Nominal- als auch die Reallöhne relativ beständig erhöht haben. Selbst die inflationäre Preisentwicklung seit dem Wirtschaftsaufschwung von 1895/96 konnten diese Tendenz nicht unterbrechen, da die Löhne im Deutschen Reich in den beiden Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg schneller stiegen als die Lebenshaltungskosten.
In kritischer Auseinandersetzung mit den Arbeiten von Kuczynski, Grumbach/König und der Studie von Desai entwickelte Thomas J. Orsagh für die Zeit von 1871 bis 1913 neue Indizes für die Lebenshaltung und die Reallöhne (Orsagh, T. J., 1969: Löhne in Deutschland 1871-1913: Neuere Literatur und weitere Ergebnisse. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 125, Heft 3, S. 476-483). Er berichtigt dabei vermeintliche Fehler der Indizes von Desai für die Lebenshaltung. Die Kritik an Desai beruht im Wesentlichen auf der Anwendung verschieden stark differenzierter Gewichtungssysteme für die von ihm unterschiedenen vier Perioden und der falschen Einrechnung des Mietpreises in den Index. „Obwohl der neue Index zur Wirtschaftsgeschichte offenbar einen Beitrag liefert, muß man doch zwei Einwände vorbringen: (1) Das Gewichtssystem ist nicht, wie es sein sollte, konstant; und (2) ein wichtiger Bestandteil des Index (der Mietpreis) ist im Index falsch eingerechnet“ (Desai, a.a.O., S. 478). Desai verwendet dagegen konstante Gewichte und nimmt eine Korrektur der Einrechnung des Mietpreisen in den Gesamtindex vor.
Verzeichnis der Tabellen in HISTAT:
A. Übersichten:
A.1 Übersicht: Verschiedene Schätzungen der realen und nominalen Bruttolöhne im Kaiserreich, Index 1913 = 100 (1871-1913)
A.2 Übersicht: Die Entwicklung der Lebenshaltungskosten, Index 1913 = 100 (1871-1913)
A.3 Übersicht: Entwicklung der Nominallöhne und Reallöhne, Index 1913=100 (1844-1937)
D. Studie von Ashok V. Desai:
D.01 Verschiedene Schätzungen von Reallöhnen im Kaiserreich, Index 1895 = 100 (1871-1913)
D.02 Durchschnittlicher Jahresverdienst (1871-1886)
D.03 Jahresbruttoverdienste in ausgewählten Produktionszweigen (1887-1913)
D.04 Jahresdurchschnittsverdienste in Industrie, Transportwesen und Handel (1871-1913)
D.05 Konstruktion des Lebenshaltungsindex, 1895 = 100 (1871-1913)
D.06 Reallöhne, in konstanten Preisen von 1895 (1871-1913)
D.07 Weizenpreise und Weizenbrotpreise (1872-1913)
D.08 Roggenpreise und Roggenbrotpreise (1872-1913)
D.09 Durchschnittliche Exportpreise nach Warengruppen, Index 1895 = 100 (1872-1913)
D.10 Durchschnittliche Importpreise nach Warengruppen, Index 1895 = 100 (1872-1913)
D.11 Durchschnittliche Exportpreise, Importpreise und Terms of Trade, Index 1895 = 100 (1872-1913)
O. Studie von Thomas J. Orsagh:
O. Korrigierte Indizes der Lebenshaltungskosten und der Reallöhne nach Orsagh, Index 1913 = 100 (1871-1913)
Das Studium der Löhne in Deutschland hat eine lange Tradition. Dabei lag das Schwergewicht der Erfassung sowohl bei Betriebslöhnen, Löhnen bestimmter Branchen oder Arbeiterkategorien als auch in der Ermittlung von langfristigen gesamtwirtschaftlichen Nominal- und Reallöhnen. Die Studie von Ashok V. Desai über die Entwicklung der Reallöhne im Kaiserreich zwischen 1871 und 1913 bildet einen wichtigen Baustein zur gesamtwirtschaftlichen lohngeschichtlichen Forschung. Ihr wurde ein beachtliches Maß an Originalität und methodische Mustergültigkeit zugeschrieben. Für den Aufschwung der historischen Lohnforschung in den 50er und 60er Jahren ist allerdings vor allem zunächst der herausragende Beitrag von Jürgen Kuczynski zu nennen. „Die neuere lohngeschichtliche Forschung in Deutschland ist unlöslich mit Jürgen Kuczynski verbunden. Zwar bilden die Studien zur Lohngeschichte in seinen weit gefächerten, schier unübersehbaren Schaffen nur einen Teilbereich, doch einen wichtigen, der sich durch sein ganzes Werk hindurch zieht und eines von dessen Kernstücken bildet“ (Kaufhold, K.H., 1987: Forschungen zur deutschen Preis- und Lohngeschichte (seit 1930). In: Historia Socialis et Oeconomica. Festschrift für Wolfgang Zorn zum 65. Geburtstag. Stuttgart: Franz Steiner Verlag, S, 83). Mit seinen ersten langen Reihen der Nominal- und Reallöhne in Deutschland auf breiter empirischer Grundlage regte er damit weitere Forschungen an. Von nicht wenigen wurden seine Zahlen und Schlussfolgerungen mit Skepsis aufgenommen, insbesondere deshalb, weil Kuczynski in der Diskussion um die langfristige und zukünftige Entwicklung des Lebensstandards (der Arbeiter) auf seiner pessimistischen Position beharrte. Der von Kuczinski konstruierte Lohnindex basiert hauptsächlich auf Veröffentlichungen der Gewerkschaften sowie auf den Berichten zahlreicher Handelskammern (vgl. Kuczynski, J., 1953: Die Geschichte der Arbeiter unter dem Kapitalismus. Bd. 1: Die Geschichte der Lage der Arbeiter in Deutschland von 1789 bis in die Gegenwart. 6. verb. A. Berlin). Die größten Schwächen liegen in seiner methodischen Inkonsistenz und seiner erheblich eingeschränkten Repräsentativität. So gehen sowohl Tariflöhne als auch tatsächlich gezahlte Löhne in seine Berechnung ein. Andererseits bleiben wichtige Industrien wie z.B. das nahrungsmittel- und Bekleidungsgewerbe unberücksichtigt. Die Lohnangaben für die Landwirtschaft beruhen häufig auf Schätzungen oder sind Berechnungen, denen ungenügendes Material zugrunde liegt. Löhne für die Heimarbeit bleiben in der Indexberechnung unberücksichtigt. Überdies ist die Repräsentativität des Index auch in regionaler Hinsicht kaum gegeben, da den Städten gegenüber ländlichen Regionen ein zu großes Gewicht zukommt.
Die Nominal- und Reallohnindizes von Kuczynski stießen bei vielen Autoren auf Interesse und regten so zu weiteren Untersuchungen an. Den Anfang machte die vergleichende Untersuchung der Autoren Phelps Brown und S.V. Hopkins (Brown, E.P./Hopkins, S.V., 1950: The course of wage rates in five countries, 1860-1937. Oxford Economic Papers, S. 226-296). Auf der Grundlage von Kuczynskis Lohnindizes behaupteten sie für die Periode von 1860 – 1937, das Wachstum der Reallöhne habe sich in Deutschland wie in Großbritanien, Frankreich und den USA verlangsamt. Auch Gerhard Bry übernahm die Nominal- und Reallohnindizes von Kuzcynski neben einer Vielzahl weiterer Daten aus der amtlichen Statistik und aus privaten Erhebungen (Bry, G., 1960: Wages in Germany1871-1945. Princeton). Die von Bry zur Konstruktion eines allgemeinen Lohnindex angewandten Methode unterscheidet sich nur unwesentlich von der Vorgehensweise Kuczynskis. Die Unterschiede beschränken sich auf die der Indexberechnung für verschiedene Industriezweige zugrunde liegenden Lohnreihen. Der erste gewichtige deutsche Beitrag, der sich zugleich von Kuczynski löste, kam von Franz Grumbach und Heinz König. In seiner 1957 veröffentlichten Studie erarbeiteten sie für die Industrielöhne zwischen 1888 und 1954 einen Gesamtindex sowie 14 Indizes für sechs Industriezweige, der auf der Statistik der Unfallversicherung beruhte und damit unabhängig von Kuczynski ermittelt worden war (Grumbach, F./König, H., 1957: Beschäftigung und Löhne der deutschen Industriewirtschaft 1888-1954. In: Weltwirtschaftliches Archiv, 79, S. 125-155). Im Gegensatz zu den bisher genannten Studien berechnen Grumbach und König Tagesverdienste.
In der Studie von Desai wurde der durchschnittliche nominale Jahresverdienst ebenfalls auf der Basis der Berichte der Berufsgenossenschaften an das Reichsversicherungsamt über die in der Unfallversicherung versicherten Personen und ihr Einkommen errechnet. Desai beschränkt sich auf die industriellen Löhne, da nur für sie in den Veröffentlichungen des Reichsversicherungsamtes wenigstens seit 1887 zuverlässige lange Reihen zur Verfügung stehen. Da die Versicherungsbeiträge nach der Höhe des Einkommens der Versicherten bemessen werden, vertritt Desai die Auffassung, die Unterlagen der Berufsgenossenschaften und die daraus entwickelten Statistiken des Reichsversicherungsamtes zur Berechnung eines Index der Lohnentwicklung nutzen zu können. Desais Arbeit erwies sich darüber hinaus vor allem hinsichtlich der Berechnung eines neuen Index der Lebenshaltungskosten und damit für die Beurteilung der Reallohnentwicklung als ergiebig, weil er von dem Modell der typischen Arbeiterfamilie ausging. „F. Grumbach and H. König have used the same sources to derive indices of industrial earnings. The main differences between their series and ours are: (a) we have adopted the industrial classification followed by the Reichsversicherungsamt, while Grumbach and König have made larger industrial groups, (b) we have calculated average annual earnings, while they claim to have calculated average daily earnings (i.e. to have adjusted the annual figures for the average number of days worked per year per worker), and (c) they have failed to correct distortions in the original data” (Desai, A.V., 1968: Real Wages in Germany 1871 – 1913. Oxford. Clarendon Press, S. 4). Desai hat einen ausführlich begründeten Ausgleich der durch unterschiedliche statistische Erhebungsmethoden entstandenen Verzerrungen vorgenommen (vgl. Desai, a.a.O., S. 7-13).
Der Gesamtlohnindex von Desai setzt sich im Wesentlichen aus zwei Indizes zusammen, die um 1888 zusammengefügt wurden. Hierbei verwendet Desai für die Periode von 1887 bis 1913 die gleiche Berufsgenossenschaftsstatistik wie Grumbach und König, doch arbeitete er mit detaillierteren Industriegruppen, die den Unterschied in den Indizes zwischen Grumbach und König zum Teil erklären. Ferner berichtigte Desai die Daten, um die Löhne vor 1903, die teilweise falsch ermittelt waren, mit den tatsächlich verdienten Löhnen nach 1903 vergleichen zu können. Da für den Zeitraum 1903 bis 1913 in den Beitragsstatistiken bei vielen Berufsgenossenschaften zwischen tatsächlichem und anrechnungsfähigem Verdienst unterschieden wird, analysiert Desai die Differenz zwischen beiden Endsummen und entwickelt daraus Hochrechnungsfaktoren für den Zeitraum von 1887 bis 1902. Auf der Grundlage dieser Angaben entwickelt Desai auch Schätzungen der Durchschnittslöhne in den Industriezweigen, für die diese Daten nicht vorliegen.
Der Gesamtlohnindex von Desai für die Periode von 1871 bis 1886 beruht auf den Daten von nur sechs Industriegruppen (im Gegensatz zu dem relativ umfassenden Material für die Zeit nach 1887): Kohlebergbau, Bauindustrie, Druckereiwesen, Maschinenbau, Baumwollindustrie und Stahlindustrie. Da für den Zeitraum von 1871 bis 1886 keine Statistiken des Reichsversicherungsamtes vorliegen, greift Desai vor allem auf Gewerkschaftsstatistiken, Firmenstatistiken und auch auf die von Kuczinski und Bry (Bry, G., 1960: Wages in Germany 1871-1945. Princeton) veröffentlichten Daten zurück. Desai wählte diejenigen Reihen von Kuczinski und Bry für die Periode vor 1883 für den Gesamtindex aus, die am ehesten seinen Lohndaten der Periode nach 1888 entsprachen (Desai, a.a.O., S. 16f). In einem abschließenden Schritt verknüpft Desai mittels einiger Rechenoperationen die auf anderen statistischen Grundlagen basierenden Daten von 1871 bis 1891 mit den überwiegend auf Schätzungen basierenden Daten von 1887 bis 1913 und den hinlänglich zuverlässigen Daten von 1903 bis 1913 zu einer durchgängigen Zeitreihe, die die Entwicklung des Durchschnittslohnes in indizierter Form widerspiegeln soll. „This series is most reliable in its last part – from 1903 to 1913. The 1887-1902 section is based on distorted earnings and has somewhat smaller coverage. The shortcomings are more serious before 1887. They are due to the fixed weighting, restricted coverage, and the fact that the series before 1887 are based on statistics of wage rates and earnings in individual industries” (Desai, a.a.O., S. 17).
Um einen Reallohnindex zu berechnen, benötigt man einen Index der Lebenshaltungskosten. Der Preisindex für die Lebenshaltung ist ein geeigneter Deflator, um aus den nominalen Lohnangaben reale, d.h. um den Einfluss von Preissteigerungen bereinigte, Durchschnittslöhne zu berechnen. Lange Zeit war der Preisindex für die Lebenshaltung von Kuczynski ohne Konkurrenz. Die wesentlichen Mängel dieses Index sind darin zu sehen, dass er nur Nahrungsmittel- und Mietpreise in die Berechnung der Preisentwicklung für die Lebenshaltung einbezieht. Die Nahrungsmittel- und Mietpreise wurden dabei im Verhältnis 3:1 gewichtet. Eine Begründung für diese Gewichtung liefert Kuczinski nicht. Kuczinski bildet schließlich seinen Index durch unvollständige städtische und regionale Preisindizes, dessen Aggregationsmethode er aber nicht erklärt.
Desai hat in seiner Studie einen völlig neuen Index der Lebenshaltungskosten vorgeschlagen, der zwei Vorteile gegenüber dem älteren hat: (1) Der Index umfasst nicht nur Nahrungsmittel- und Mietpreise, sondern auch Kleider-, Brennstoff- und Beleuchtungspreise; (2) man weiß genau, was für Gewichte die verschiedenen Preise in dem Gesamtindex bekommen. Während sich Kuczynski für die Gewichtung auf relativ grobe Schätzungen verließ, beruht die Schätzung bei Desai im Wesentlichen auf der 1907/08 vorgenommenen „Erhebung von Wirtschaftsrechnungen minderbemittelter Familien im Deutschen Reich“ (in: 2. Sonderheft zum Reichsarbeitsblatt, Berlin 1909). Allerdings hat Desais Gewichtung eine nur schmale Basis, da er nur 13 der insgesamt dort erfassten 852 Familien berücksichtigte, deren Jahreseinkommen zwischen 600 und 1200 Mark lag. Es scheinen Zweifel angebracht, ob die Ausgabenstruktur dieser Haushalte hinreichend repräsentativ ist, um den Preisindex für die Lebenshaltung auf alle Privathaushalte generalisieren zu können.
Je nach Auswahl der Lohnbasis und den Berechnungsmethoden unterscheiden sich die Lohnbewegungen. So beginnen Kuczynski und Bry (die die gleichen Lohndaten zugrunde legen) bei einem hohen Lohnniveau in der Periode 1871-1875, so dass die Steigerung der realen Bruttolöhne nach dem Konjunkturaufschwung seit 1895 nur noch gering ausfallen können. Dagegen bewegen sich die Bruttolöhne von Desai ond Orsagh im ersten Jahrfünft auf einem erheblich tieferen Niveau und erreichen 1891-1895 nicht einmal den Index von Kuzcynski und Bry der Jahre 1871-1895. Im Unterschied zu Kuzcynski, Brown/Hopkins und Bry diagnostizierte Desai für das Kaiserreich einen stärkeren und regelmäßigeren Anstieg der realen Bruttolöhne in der Industrie. Bezogen auf das Jahr 1895 steigt der Reallohnindex bei Desai bis 1913 auf 125%, während der Löhne bei Kuczynski im gleichen Zeitraum nur um 12% steigen, da bei diesem seit der Jahrhundertwende die Reallöhne praktisch stagnieren.
Eine Schätzung der Reallöhne ist mit noch größeren Unsicherheiten behaftet, denn in einer sich schnell wandelnden Wirtschaft wie der des Kaiserreichs erleben wir nicht nur rasche Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten, auch die stark unterschiedliche Zunahme der Erwerbstätigkeit in verschiedenen Industriebranchen veränderte die Lebensführung. So weist auch die Tabelle der verschiedenen Schätzungen von Reallöhnen deutliche Unterschiede auf. Ein relativ niedriger Nominallohn- und ein relativ hoher Lebenshaltungskostenindex (Desai) im Jahr 1871 führte zu einer niedrigen Ausgangsbasis. Umgekehrt ist es bei Kuczynski, dessen Reallohnindex zwischen 1871 und 1913 lediglich um 30 Prozentpunkte ansteigt, während der Index von Desai fast das Doppelte erreicht. Alle Autoren, die sich mit Lohnbewegungen im Kaiserreich befassten, stimmen weitgehend darin überein, dass sich seit der Gründerkrise sowohl die Nominal- als auch die Reallöhne relativ beständig erhöht haben. Selbst die inflationäre Preisentwicklung seit dem Wirtschaftsaufschwung von 1895/96 konnten diese Tendenz nicht unterbrechen, da die Löhne im Deutschen Reich in den beiden Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg schneller stiegen als die Lebenshaltungskosten.
In kritischer Auseinandersetzung mit den Arbeiten von Kuczynski, Grumbach/König und der Studie von Desai entwickelte Thomas J. Orsagh für die Zeit von 1871 bis 1913 neue Indizes für die Lebenshaltung und die Reallöhne (Orsagh, T. J., 1969: Löhne in Deutschland 1871-1913: Neuere Literatur und weitere Ergebnisse. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 125, Heft 3, S. 476-483). Er berichtigt dabei vermeintliche Fehler der Indizes von Desai für die Lebenshaltung. Die Kritik an Desai beruht im Wesentlichen auf der Anwendung verschieden stark differenzierter Gewichtungssysteme für die von ihm unterschiedenen vier Perioden und der falschen Einrechnung des Mietpreises in den Index. „Obwohl der neue Index zur Wirtschaftsgeschichte offenbar einen Beitrag liefert, muß man doch zwei Einwände vorbringen: (1) Das Gewichtssystem ist nicht, wie es sein sollte, konstant; und (2) ein wichtiger Bestandteil des Index (der Mietpreis) ist im Index falsch eingerechnet“ (Desai, a.a.O., S. 478). Desai verwendet dagegen konstante Gewichte und nimmt eine Korrektur der Einrechnung des Mietpreisen in den Gesamtindex vor.
Verzeichnis der Tabellen in HISTAT:
A. Übersichten:
A.1 Übersicht: Verschiedene Schätzungen der realen und nominalen Bruttolöhne im Kaiserreich, Index 1913 = 100 (1871-1913)
A.2 Übersicht: Die Entwicklung der Lebenshaltungskosten, Index 1913 = 100 (1871-1913)
A.3 Übersicht: Entwicklung der Nominallöhne und Reallöhne, Index 1913=100 (1844-1937)
D. Studie von Ashok V. Desai:
D.01 Verschiedene Schätzungen von Reallöhnen im Kaiserreich, Index 1895 = 100 (1871-1913)
D.02 Durchschnittlicher Jahresverdienst (1871-1886)
D.03 Jahresbruttoverdienste in ausgewählten Produktionszweigen (1887-1913)
D.04 Jahresdurchschnittsverdienste in Industrie, Transportwesen und Handel (1871-1913)
D.05 Konstruktion des Lebenshaltungsindex, 1895 = 100 (1871-1913)
D.06 Reallöhne, in konstanten Preisen von 1895 (1871-1913)
D.07 Weizenpreise und Weizenbrotpreise (1872-1913)
D.08 Roggenpreise und Roggenbrotpreise (1872-1913)
D.09 Durchschnittliche Exportpreise nach Warengruppen, Index 1895 = 100 (1872-1913)
D.10 Durchschnittliche Importpreise nach Warengruppen, Index 1895 = 100 (1872-1913)
D.11 Durchschnittliche Exportpreise, Importpreise und Terms of Trade, Index 1895 = 100 (1872-1913)
O. Studie von Thomas J. Orsagh:
O. Korrigierte Indizes der Lebenshaltungskosten und der Reallöhne nach Orsagh, Index 1913 = 100 (1871-1913)
Methodology
Study area:
Deutsches Reich von 1871 bis 1913.
Deutsches Reich von 1871 bis 1913.
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Source types:
Die Berechnungen eines allgemeinen Lohnindex beruhen in der Studie von Desai auf Statistiken des Reichsversicherungsamtes, die diese aus Angaben der Berufsgenossenschaften zusammengestellt hat. Die gesetzliche Unfallversicherung wurde ab dem 1. Oktober 1985 verpflichtend für die Unternehmen der meisten Wirtschaftszweige in Deutschland. Als Versicherungsträger fungierten die gewerblichen oder landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften als selbstverwaltende Körperschaften öffentlichen Rechts unter der Aufsicht des Reichsversicherungsamtes. Das Unfallversicherungsgesetz verpflichtete die Unternehmer, sämtliche Arbeiter und alle (technischen) Angestellten, sofern deren Jahresverdienst bestimmte Obergrenzen nicht überschritt, gegen Arbeitsunfälle zu versichern. Diese Versicherungspflicht wurde bis 1887 auf nahezu alle Wirtschaftsbereiche ausgedehnt. Da die Versicherungsbeiträge nach der Höhe des Einkommens der Versicherten bemessen werden, vertritt Desai die Auffassung, die Unterlagen der Berufsgenossenschaften und die daraus entwickelten Statistiken des Reichsversicherungsamtes zur Berechnung eines Index der Lohnentwicklung nutzen zu können. Diese Lohn- und Gehaltssummen sowie die dazugehörige Zahl der versicherten Betriebe, versicherten Arbeitnehmer, versicherten Personen und der sog. ‚Vollarbeiter’ bei den einzelnen Berufsgenossenschaften lässt sich aus den jährlichen Geschäfts- und Rechenschaftsberichten der Berufsgenossenschaften entnehmen.
Ergänzende Studien, die auszugsweise verwendet wurden:
Grumbach, F./König, H., 1957: Beschäftigung und Löhne der deutschen Industriewirtschaft. In: Weltwirtschaftliches Archiv, 79, S. 125ff.
Hoffmann, W.G., 1965: Das Wachstum der deutschen Wirtschaft seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Berlin/Heidelberg/New York: Springer.
Orsagh, T. J., 1969: Löhne in Deutschland 1871-1913: Neuere Literatur und weitere Ergebnisse. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 125, Heft 3, S. 476-483.
Eine vergleichende Diskussion der hier aufgenommenen Studien findet sich in:
Pierenkemper, T., 1987: The Standard of Living and Employment in Germany, 1850-1980: An Overview. In: The Journal of European Economic History, Vol. 16, Number 1, S. 51-74.
Wiegand, Erich, 1982: Zur historischen Entwicklung der Löhne und Lebenshaltungskosten in Deutschland. In: Wiegand, E./Zapf, W., 1982: Wandel der Lebensbedingungen in Deutschland. Wohlfahrtsentwicklung seit der Industrialisierung. Frankfurt a.M./New York: Camus: S. 65-154.
Die Berechnungen eines allgemeinen Lohnindex beruhen in der Studie von Desai auf Statistiken des Reichsversicherungsamtes, die diese aus Angaben der Berufsgenossenschaften zusammengestellt hat. Die gesetzliche Unfallversicherung wurde ab dem 1. Oktober 1985 verpflichtend für die Unternehmen der meisten Wirtschaftszweige in Deutschland. Als Versicherungsträger fungierten die gewerblichen oder landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften als selbstverwaltende Körperschaften öffentlichen Rechts unter der Aufsicht des Reichsversicherungsamtes. Das Unfallversicherungsgesetz verpflichtete die Unternehmer, sämtliche Arbeiter und alle (technischen) Angestellten, sofern deren Jahresverdienst bestimmte Obergrenzen nicht überschritt, gegen Arbeitsunfälle zu versichern. Diese Versicherungspflicht wurde bis 1887 auf nahezu alle Wirtschaftsbereiche ausgedehnt. Da die Versicherungsbeiträge nach der Höhe des Einkommens der Versicherten bemessen werden, vertritt Desai die Auffassung, die Unterlagen der Berufsgenossenschaften und die daraus entwickelten Statistiken des Reichsversicherungsamtes zur Berechnung eines Index der Lohnentwicklung nutzen zu können. Diese Lohn- und Gehaltssummen sowie die dazugehörige Zahl der versicherten Betriebe, versicherten Arbeitnehmer, versicherten Personen und der sog. ‚Vollarbeiter’ bei den einzelnen Berufsgenossenschaften lässt sich aus den jährlichen Geschäfts- und Rechenschaftsberichten der Berufsgenossenschaften entnehmen.
Ergänzende Studien, die auszugsweise verwendet wurden:
Grumbach, F./König, H., 1957: Beschäftigung und Löhne der deutschen Industriewirtschaft. In: Weltwirtschaftliches Archiv, 79, S. 125ff.
Hoffmann, W.G., 1965: Das Wachstum der deutschen Wirtschaft seit Mitte des 19. Jahrhunderts. Berlin/Heidelberg/New York: Springer.
Orsagh, T. J., 1969: Löhne in Deutschland 1871-1913: Neuere Literatur und weitere Ergebnisse. In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, 125, Heft 3, S. 476-483.
Eine vergleichende Diskussion der hier aufgenommenen Studien findet sich in:
Pierenkemper, T., 1987: The Standard of Living and Employment in Germany, 1850-1980: An Overview. In: The Journal of European Economic History, Vol. 16, Number 1, S. 51-74.
Wiegand, Erich, 1982: Zur historischen Entwicklung der Löhne und Lebenshaltungskosten in Deutschland. In: Wiegand, E./Zapf, W., 1982: Wandel der Lebensbedingungen in Deutschland. Wohlfahrtsentwicklung seit der Industrialisierung. Frankfurt a.M./New York: Camus: S. 65-154.
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Annotations:
Zur Studie von Ashok V. Desai:
Bei der Berechnung der durchschnittlichen Jahresverdienste von Arbeitnehmern in Industrie, Handel und Verkehr, wurden nicht berücksichtigt: Landarbeiter, die in der Hausindustrie und häuslichen Diensten Beschäftigten, Beamte, sowie Arbeiter und Angestellte, für die der Arbeitgeber keine Beiträge zu der aufgrund des Unfallversicherungsgesetzes von 1884 (und seiner Ergänzungen) zwangsweise eingerichteten Unfallversicherung zahlen mussten, weil ihr Jahresverdienst über einer bestimmten Höhe lag. In den meisten Industrien betrug diese Verdienstgrenze bis 1913 3000 Mark.
Der Index der realen durchschnittlichen Jahresverdienste wurde - auf das Basisjahr 1895 bezogen - nach folgender Formel berechnet:
Index der realen durchschnittlichen Jahresverdienste = (Index der nominalen durchschnittlichen Jahresverdienste)/(Index der Lebenshaltungskosten) * 100.
Zur Studie von Thomas J. Orsagh
(Auszug aus Thomas J. Orsagh, a.a.O., S. 481):
„Die Berechnungsmethode: Ein Index von 18 Konsumgütern ist für die Zeitspanne von 1881 – 1892 errechnet und dann in Verbindung mit einem 22 Güter-Index von 1890 – 1913 gebracht. Die Nivellierung der beiden Indizes ist mit Hilfe einer Gleichung ihrer geometrischen Durchschnitte für die Zeit von 1890-1892 durchgeführt. Ebenso wurden aufgrund der allgemeinen Werte von 1881-1983 die Indizes von 15 und 18 Gütern behandelt und auch die die Indizes von 9 und 15 Gütern von 1873 – 1875. Es soll darauf hingewiesen werden, dass bei dem Konsum von Fleisch und Brennstoffe konstante Gewichte gebraucht wurden, deren Basis das Konsum-Verhältnis von 1900 ist. Weil sich die Gewichte der 6 Güter dieser Kategorie im Desaischen Preisindex ändern (vgl. S. 23-28), ist der Index vom Einfluß der Nicht-Preis-Bewegungen verfälscht.
Der Übergang zum Index der Reallöhne wird mit Hilfe des Desaischen Nominallohnindex durchgeführt“.
Methodische Anmerkung zur Bildung eines Preisindex für die Lebenshaltung
Zitiert aus: Wiegand, Erich, 1982: Zur historischen Entwicklung der Löhne und Lebenshaltungskosten in Deutschland. In: Erich Wiegand/Wolfgang Zapf (Hg.), 1982: Wandel der Lebensbedingungen in Deutschland. Wohlfahrtsentwicklung seit der Industrialisierung, Frankfurt/New York: Campus, S. 81ff.
„Der Preisindex für die Lebenshaltung ist ein geeigneter Deflator, um aus den nominalen Lohnangaben reale, d.h. um den Einfluss von Preissteigerungen bereinigte, Durchschnittslöhne zu berechnen. […] Der Preisindex für die Lebenshaltung wird oft als Index der Lebenshaltungskosten bezeichnet. Wie an späterer Stelle gezeigt werden soll, ist diese Bezeichnung falsch. […]
Um die theoretische Problematik der Konstruktion eines Preisindex für die Lebenshaltung angemessen darlegen zu können, ist es zunächst notwendig, dessen Entstehung zu beschreiben: Die Preisentwicklung einer größeren Anzahl von Gütern und Dienstleistungen wird laufend an ausgewählten Erhebungsstellen – zumeist Einzelhandelsgeschäfte – ermittelt und zu Durchschnittspreisen aufgearbeitet. Die Entwicklung der auf diese Art ermittelten Durchschnittspreise wird relativiert, d.h. auf den Durchschnittspreis eines als Basisperiode bezeichneten Zeitraums bezogen. Diese relativierten Durchschnittspreise einzelner Güter und Dienstleistungen werden als Preismessziffern bezeichnet. Die Preismessziffern werden mittels einer als Wägungsschema oder ‚Warenkorb’ benannten Gewichtung zu einem Preisindex zusammengefasst. Die Gewichtung wird dabei aus der durchschnittlichen Verbrauchsstruktur einer Anzahl von Privathaushalten, die als ‚Indexhaushalt’ bezeichnet werden, in der Basisperiode ermittelt.
Grundlegend für die Berechnung eines Preisindex ist die Konstanz des Wägungsschemas. Der Preisindex für die Lebenshaltung wird nach der Methode von Laspeyres, d.h. auf der Grundlage der Mengenstruktur der Basisperiode berechnet. Diese Berechnungsmethode führt dazu, dass nicht der Index der Lebenshaltungskosten, der unter dem Gesichtspunkt der Analyse der historischen Wohlfahrtsentwicklung von größerer Bedeutung wäre, sondern ein Preisindex für die Verbrauchsmengen der Basisperiode ermittelt wird. Denn die Verbrauchsstrukturen verändern sich dahingehend – vorausgesetzt der Beobachtungszeitraum ist nicht zu kurz gewählt -, dass die Verbrauchsmengen der überdurchschnittlich verteuerten Güter relativ abnehmen, die der billiger gewordenen oder nur unterdurchschnittlich verteuerten Güter dagegen relativ zunehmen. Ein Preisindex für die Lebenshaltung nach der Berechnungsmethode von Laspeyres überzeichnet also die tatsächliche Entwicklung der Lebenshaltungskosten. Dies ist, wie bereits erwähnt, eine Folge des der Berechnung zugrunde liegenden, aus den Verbrauchsstrukturen der Basisperiode gewonnenen Wägungsschemas.
Die Verwendung eines konstanten Wägungsschemas führt zu einem weiteren Problem, das insbesondere für die langfristige historische Betrachtung des Preisindex für die Lebenshaltung große Bedeutung erlangt: Je länger der Basiszeitraum, aus dem das verwendete Wägungsschema stammt, zurückliegt, desto weniger entspricht die der Indexberechnung zugrunde liegende Mengenstruktur den wirklichen Verbrauchsverhältnissen und desto mehr wird der Index zu einer lebensfernen Abstraktion ohne Aussagewert im Hinblick auf die Realität. Durch in mehrjährigen Abständen stattfindende Revisionen des zugrunde liegenden Mengenschemas wird versucht, diesem Mangel zu begegnen.
Es existieren grundsätzlich zwei verschiedene Verfahren, um aus diesen aufeinander folgenden Indexreihen "lange Reihen" zu gewinnen: entweder werden die verschiedenen Indexreihen miteinander verkettet oder aber das "neue" Wägungsschema wird auf die zurückliegenden Perioden angewandt und eine Neuberechnung des Index vorgenommen. Beim erstgenannten Verfahren wird die Bedingung des konstanten Wägungsschemas aufgegeben. Damit wird die Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltung langfristig nicht nur von Preisveränderungen, sondern auch von Änderungen der Mengenstruktur beeinflusst.
Bei einer auf diese Art entstandenen Indexreihe handelt es sich also nicht mehr um einen eliminierten Vergleich – das eigentliche Ziel der Preisstatistik -, bei dem bis auf die Preisveränderungen als verursachender Faktor die Wirkung der übrigen Faktoren ausgeschaltet ist, sondern es liegt lediglich ein uneliminierter Vergleich vor, bei dem die jeweiligen Wirkungen zweier Faktoren, Preisveränderungen einerseits und Änderungen der Mengenstruktur andererseits, quantitativ nicht mehr bestimmt werden können.
Das zweite Verfahren, dessen Anwendung zur Aufhebung der erwähnten Realitätsferne empfohlen wird, wirft Probleme einer angemessenen Berücksichtigung qualitativer Veränderungen verschiedener Waren und Dienstleistungen sowie der Substitution von einzelnen Waren und des Auftauchens neuer Güter auf. Diese Probleme sind in der Praxis kaum zu lösen. Alle methodischen Lösungsvorschläge sind theoretisch mehr oder weniger unbefriedigend.
Eine Möglichkeit, das Problem einer Qualitätsveränderung methodisch zu bewältigen, liegt in ihrer näheren quantitativen Bestimmung; dann können nach Maßgabe dieser Qualitätsveränderungen Abschläge bzw. Zuschläge an den Marktpreisen vorgenommen werden, um über den solcherart konstruierten fiktiven Marktpreis zu einer vergleichbaren Preisveränderung zu gelangen. Eine ähnliche Vorgehensweise, die Definition eines "gemeinsamen natürlichen Äquivalents", kann auch bei der Substitution von Waren gewählt werden. Auf der Grundlage dieses "gemeinsamen natürlichen Äquivalents" werden die Marktpreise für das neue Gut korrigiert und diese fiktiven Preise in die Indexberechnung einbezogen. Sehr oft ist jedoch die Qualitätsveränderung nicht hinreichend genau messbar bzw. die Definition eines "gemeinsamen natürlichen Äquivalents" nicht möglich. Wenn dieses Problem ohne Festlegung eines neuen Wägungsschemas gelöst werden soll, wird in der
statistischen Praxis so vorgegangen, dass für das neue bzw. qualitätsveränderte Gut ein fiktiver Preis für die Basisperiode berechnet wird, unter der Annahme, die Preisentwicklung sei mit der des alten Gutes identisch. Der fiktive Basispreis wird fortan zur Indexberechnung verwendet.
Die bisher beschriebenen Probleme der quantitativen und qualitativen Veränderungen des als Wägungsschema verwendeten "Warenkorbs" machen deutlich, dass der Aussagewert von Preisindizes - und damit auch der des Preisindex für die Lebenshaltung - vornehmlich im eher kurzfristigen Vergleich liegt und die langfristige historische Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltung die tatsächliche Entwicklung der Lebenshaltungskosten nur annähernd und mit gewissen Vorbehalten darstellen kann.
Die Auswahl des "Indexhaushalts", nach dessen Verbrauchsstruktur das Wägungsschema festgelegt wird, ist von großer Bedeutung für die Generalisierbarkeit der ermittelten preisstatistischen Ergebnisse. Wählt man Haushalte eines ganz bestimmten, eng definierten Haushaltstyps als "Indexhaushalt" aus, entsteht das Problem, dass die empirische Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltung nur für diesen Haushaltstyp ausreichend repräsentativ ist. Definiert man dagegen den "Durchschnittshaushalt" - berechnet als arithmetisches Mittel aus allen Privathaushalten - als "Indexhaushalt" und verwendet dessen Verbrauchsstruktur als Wägungsschema, läuft man Gefahr, die Entwicklung des Preisindex der Lebenshaltung für einen fiktiven, in der Realität kaum vorzufindenden Haushaltstyp zu berechnen, von der die Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltung einer relativ großen Zahl von Haushalten und/oder sozialpolitisch relevanter Gruppen, wie z. B. Haushalte von alten oder armen Personen, mehr oder weniger stark abweicht. Um diese Problematik zu berücksichtigen, berechnet das Statistische Bundesamt zurzeit fünf verschiedene Preisindizes für die Lebenshaltung:
(1) Den Preisindex für die Lebenshaltung aller Privaten Haushalte; (2) den Preisindex für die Lebenshaltung von 2-Personen-Haushalten von Renten- und Sozialhilfeempfängern; (3) den Preisindex für die Lebenshaltung von 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalten mit mittlerem Einkommen des allein verdienenden Haushaltsvorstands; (4) den Preisindex für die Lebenshaltung von 4-Personen-Haushalten von Angestellten und Beamten mit höherem Einkommen; (5) den Preisindex für die einfache Lebenshaltung eines Kindes.
Der bekannteste und in der politischen Diskussion am häufigsten verwendete ist der unter Punkt (3) genannte Index.
Die quantitativen und qualitativen Veränderungen der Verbrauchsstruktur, die angemessen durch Modifikationen des Wägungsschemas berücksichtigt werden müssen sowie die Wahl des "Indexhaushalts" und damit die Festlegung des Wägungsschemas, sind die bedeutsamsten theoretischen Probleme, die bei der Konstruktion eines Preisindex für die Lebenshaltung zu lösen sind. Daneben existiert noch eine Anzahl weiterer Probleme, die im folgenden vor allem deshalb erwähnt werden sollen, weil sie nicht nur im Hinblick auf die Konstruktion eines Preisindex für die Lebenshaltung zu lösen, sondern darüber hinaus auch bei dem noch anstehenden Entwurf eines Index der Lebenshaltungskosten zu beachten sind.
Die Wahl eines geeigneten Basisjahrs ist insofern von Relevanz, als die Mengenstruktur und die Preisverhältnisse der Basisperiode sich auf die gesamte weitere Entwicklung des Indexwerts auswirken. Die Frage nach der geeigneten Basisperiode sollte deshalb nur aus sachlichen Erwägungen und nicht nach pragmatischen Überlegungen entschieden werden. Je nach den theoretischen Fragestellungen, denen ein Preisindex für die Lebenshaltung dienen soll, kommt entweder ein Jahr, das von bedeutenden politischen und/oder ökonomischen Ereignissen geprägt ist, oder ein Jahr mit möglichst ausgeglichenen Verhältnissen in Betracht.
Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich gegen das in der Regel praktizierte Erhebungsverfahren der Einzelpreise: Statt aus der Gesamtheit der Kaufakte nach dem Zufallsprinzip eine Stichprobe zu ziehen, wird eine Anzahl am Marktgeschehen beteiligter Wirtschaftssubjekte als Preisberichterstatter ausgewählt. Somit kann der Stichprobenfehler nicht quantifiziert werden und es ist unklar, inwieweit die auf der Grundlage dieses Verfahrens ermittelten Preise repräsentativ sind. Die Repräsentativität soll durch die Auswahl der zur Preisberichterstattung herangezogenen Stellen erreicht werden. So theoretisch einleuchtend die Einführung des Verfahrens der Zufallsstichprobe in der Preisstatistik erscheint, so schwierig dürften die dabei in der Praxis auftretenden Probleme zu lösen sein.
In der preisstatistischen Literatur findet sich gelegentlich der Hinweis auf eine unkorrekte Behandlung langlebiger, hochwertiger Gebrauchsgüter. Da solche Güter nicht in jeder Rechnungsperiode neu gekauft werden, gehen sie nur mit Teilen ihres Preises - sozusagen mit Abschreibungsraten - in das Wägungsschema ein. Daraus wird gefolgert, dass Preisveränderungen solcher Güter die Lebenshaltung der Privathaushalte in Perioden, in denen sie nicht gekauft werden, gar nicht beeinflussen. In den Perioden aber, in denen ein langlebiges, hochwertiges Gebrauchsgut gekauft wird, beeinflusse seine Preisentwicklung die Ausgaben für die Lebenshaltung in stärkerem Ausmaß als das durch die Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltung angezeigt wird. Dieser Vorwurf trifft nur dann zu, wenn versucht wird, durch den Preisindex für die Lebenshaltung die Entwicklung der Lebensbedingungen einzelner Haushalte zu charakterisieren. Dazu ist jedoch der Preisindex für die Lebenshaltung nicht geeignet; er ist - bedingt durch die Art seiner Konstruktion - auf eine Durchschnittsbetrachtung beschränkt. Auf dieser Analyseebene sind aber aufgrund der unterschiedlichen Kaufzeitpunkte der einzelnen Privathaushalte langlebige, hochwertige Gebrauchsgüter in der Konstruktion des Preisindex für die Lebenshaltung angemessen berücksichtigt.
Da die Privathaushalte nicht ihr gesamtes Einkommen konsumtiv verwenden, sondern einen im Lauf der wirtschaftlichen Entwicklung steigenden Anteil desselben sparen, erstreckt sich der Preisindex für die Lebenshaltung infolgedessen nicht auf das gesamte Einkommen sondern nur auf den konsumtiv verwendeten Teil. Dadurch werden die Interpretationsmöglichkeiten realer, d.h. durch Deflationierung mit dem Preisindex für die Lebenshaltung aus den nominalen Aggregaten gewonnene Einkommensgrößen in gewissem Umfang eingeschränkt.
Ein Index der Lebenshaltungskosten, der für wohlfahrtsorientierte Fragestellungen von Bedeutung sein soll, dessen Konstruktion aber – wie eingangs erwähnt – erst noch zu leisten ist, müsste als so genannter Befriedigungsindex konstruiert sein. Ein solcher Index misst die Veränderung der Kosten, die zur Aufrechterhaltung eines konstanten Nutzenniveaus aufgewendet werden müssen. Es wird häufig die Ansicht vertreten, ein solcher Index sei grundsätzlich nicht berechenbar, da die Probleme der Nutzenmessung nicht hinreichend gelöst werden könnten, wie es sich in der ökonomischen Theorie gezeigt habe. Es erhebt sich jedoch die Frage, ob man mit der konsumsozilogischen Erkenntnis, dass sich ein Bedürfnis in verschiedenen „Bedarfen“ aus dem Markt konkretisieren kann, die Probleme der Nutzenmessung nicht zumindest teilweise überwinden und bei der Konstruktion eines Index der Lebenshaltungskosten einen Schritt vorankommen könne. Dieser Gedanke soll aber hier nicht weiter verfolgt werden. Allerdings soll nochmals festgestellt werden, dass ein nach der Methode von Laspeyres berechneter Preisindex für die Lebenshaltung eine negativere Entwicklung anzeigt als ein Index der Lebenshaltungskosten dies tun würde. Zu fragen bleibt dann, welche Aussagekraft ein Preisindex für die Lebenshaltung, der nach der Methode von Paasche auf der Grundlage der Mengenstruktur der aktuellen Periode berechnet wird, hinsichtlich der Entwicklung eines Index der Lebenshaltungskosten hätte.
Die Bedeutung des Preisindex für die Lebenshaltung im Hinblick auf die Wohlfahrt von Individuen und Privathaushalten hat im Lauf der historischen Entwicklung zugenommen, da der Anteil an der Bedarfsdeckung, der über Märkte erfolgt, gestiegen ist. Dies ist jedoch kein kontinuierlich verlaufender Prozess, sondern in Zeiten ökonomischer und politischer Krisen tritt neben die Bedarfsdeckung über den Markt, die zumindest teilweise nicht mehr gewährleistet ist, eine vermehrte Bedarfsdeckung durch Leistungen, die im Haushalt selbst erbracht werden, durch Verflechtungen zwischen Privathaushalten, über ‚graue’ und ‚schwarze’ Märkte usw. Der wohlfahrtsbezogene Aussagewert des Preisindex für die Lebenshaltung nimmt also in diesen Zeiten auf Grund des verstärkten Auftretens anderer als marktgerichteter Arten der Bedarfsdeckung stark ab.
Weiterhin wird sein diesbezüglicher Aussagewert dadurch eingeschränkt, dass in ökonomischen und politischen Krisenzeiten eine Anzahl von Gütern, die im „Warenkorb“ enthalten sind und für die Preise ermittelt werden, auf dem Markt nicht mehr – zumindest nicht für alle Bevölkerungskreise – frei erhältlich sind.
Der Preisindex für die Lebenshaltung ist eine in der politischen Diskussion oft verwendete Größe, deren Entwicklung von den verschiedenen politischen Entscheidungsträgern zu beeinflussen versucht wird. Ein von der Bevölkerung negativ bewertete Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltung kann unter Umständen zu Legitimationsproblemen der politischen Machthaber führen und dazu beitragen, Veränderungen der politischen Strukturen herbeizuführen. Deshalb sollte die Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltung in politisch instabilen Zeiten mit besonderer Vorsicht interpretiert werden, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass an der Entwicklung desselben im Interesse der jeweiligen politischen Machthaber statistische Manipulationen vorgenommen wurden.“
Zur Studie von Ashok V. Desai:
Bei der Berechnung der durchschnittlichen Jahresverdienste von Arbeitnehmern in Industrie, Handel und Verkehr, wurden nicht berücksichtigt: Landarbeiter, die in der Hausindustrie und häuslichen Diensten Beschäftigten, Beamte, sowie Arbeiter und Angestellte, für die der Arbeitgeber keine Beiträge zu der aufgrund des Unfallversicherungsgesetzes von 1884 (und seiner Ergänzungen) zwangsweise eingerichteten Unfallversicherung zahlen mussten, weil ihr Jahresverdienst über einer bestimmten Höhe lag. In den meisten Industrien betrug diese Verdienstgrenze bis 1913 3000 Mark.
Der Index der realen durchschnittlichen Jahresverdienste wurde - auf das Basisjahr 1895 bezogen - nach folgender Formel berechnet:
Index der realen durchschnittlichen Jahresverdienste = (Index der nominalen durchschnittlichen Jahresverdienste)/(Index der Lebenshaltungskosten) * 100.
Zur Studie von Thomas J. Orsagh
(Auszug aus Thomas J. Orsagh, a.a.O., S. 481):
„Die Berechnungsmethode: Ein Index von 18 Konsumgütern ist für die Zeitspanne von 1881 – 1892 errechnet und dann in Verbindung mit einem 22 Güter-Index von 1890 – 1913 gebracht. Die Nivellierung der beiden Indizes ist mit Hilfe einer Gleichung ihrer geometrischen Durchschnitte für die Zeit von 1890-1892 durchgeführt. Ebenso wurden aufgrund der allgemeinen Werte von 1881-1983 die Indizes von 15 und 18 Gütern behandelt und auch die die Indizes von 9 und 15 Gütern von 1873 – 1875. Es soll darauf hingewiesen werden, dass bei dem Konsum von Fleisch und Brennstoffe konstante Gewichte gebraucht wurden, deren Basis das Konsum-Verhältnis von 1900 ist. Weil sich die Gewichte der 6 Güter dieser Kategorie im Desaischen Preisindex ändern (vgl. S. 23-28), ist der Index vom Einfluß der Nicht-Preis-Bewegungen verfälscht.
Der Übergang zum Index der Reallöhne wird mit Hilfe des Desaischen Nominallohnindex durchgeführt“.
Methodische Anmerkung zur Bildung eines Preisindex für die Lebenshaltung
Zitiert aus: Wiegand, Erich, 1982: Zur historischen Entwicklung der Löhne und Lebenshaltungskosten in Deutschland. In: Erich Wiegand/Wolfgang Zapf (Hg.), 1982: Wandel der Lebensbedingungen in Deutschland. Wohlfahrtsentwicklung seit der Industrialisierung, Frankfurt/New York: Campus, S. 81ff.
„Der Preisindex für die Lebenshaltung ist ein geeigneter Deflator, um aus den nominalen Lohnangaben reale, d.h. um den Einfluss von Preissteigerungen bereinigte, Durchschnittslöhne zu berechnen. […] Der Preisindex für die Lebenshaltung wird oft als Index der Lebenshaltungskosten bezeichnet. Wie an späterer Stelle gezeigt werden soll, ist diese Bezeichnung falsch. […]
Um die theoretische Problematik der Konstruktion eines Preisindex für die Lebenshaltung angemessen darlegen zu können, ist es zunächst notwendig, dessen Entstehung zu beschreiben: Die Preisentwicklung einer größeren Anzahl von Gütern und Dienstleistungen wird laufend an ausgewählten Erhebungsstellen – zumeist Einzelhandelsgeschäfte – ermittelt und zu Durchschnittspreisen aufgearbeitet. Die Entwicklung der auf diese Art ermittelten Durchschnittspreise wird relativiert, d.h. auf den Durchschnittspreis eines als Basisperiode bezeichneten Zeitraums bezogen. Diese relativierten Durchschnittspreise einzelner Güter und Dienstleistungen werden als Preismessziffern bezeichnet. Die Preismessziffern werden mittels einer als Wägungsschema oder ‚Warenkorb’ benannten Gewichtung zu einem Preisindex zusammengefasst. Die Gewichtung wird dabei aus der durchschnittlichen Verbrauchsstruktur einer Anzahl von Privathaushalten, die als ‚Indexhaushalt’ bezeichnet werden, in der Basisperiode ermittelt.
Grundlegend für die Berechnung eines Preisindex ist die Konstanz des Wägungsschemas. Der Preisindex für die Lebenshaltung wird nach der Methode von Laspeyres, d.h. auf der Grundlage der Mengenstruktur der Basisperiode berechnet. Diese Berechnungsmethode führt dazu, dass nicht der Index der Lebenshaltungskosten, der unter dem Gesichtspunkt der Analyse der historischen Wohlfahrtsentwicklung von größerer Bedeutung wäre, sondern ein Preisindex für die Verbrauchsmengen der Basisperiode ermittelt wird. Denn die Verbrauchsstrukturen verändern sich dahingehend – vorausgesetzt der Beobachtungszeitraum ist nicht zu kurz gewählt -, dass die Verbrauchsmengen der überdurchschnittlich verteuerten Güter relativ abnehmen, die der billiger gewordenen oder nur unterdurchschnittlich verteuerten Güter dagegen relativ zunehmen. Ein Preisindex für die Lebenshaltung nach der Berechnungsmethode von Laspeyres überzeichnet also die tatsächliche Entwicklung der Lebenshaltungskosten. Dies ist, wie bereits erwähnt, eine Folge des der Berechnung zugrunde liegenden, aus den Verbrauchsstrukturen der Basisperiode gewonnenen Wägungsschemas.
Die Verwendung eines konstanten Wägungsschemas führt zu einem weiteren Problem, das insbesondere für die langfristige historische Betrachtung des Preisindex für die Lebenshaltung große Bedeutung erlangt: Je länger der Basiszeitraum, aus dem das verwendete Wägungsschema stammt, zurückliegt, desto weniger entspricht die der Indexberechnung zugrunde liegende Mengenstruktur den wirklichen Verbrauchsverhältnissen und desto mehr wird der Index zu einer lebensfernen Abstraktion ohne Aussagewert im Hinblick auf die Realität. Durch in mehrjährigen Abständen stattfindende Revisionen des zugrunde liegenden Mengenschemas wird versucht, diesem Mangel zu begegnen.
Es existieren grundsätzlich zwei verschiedene Verfahren, um aus diesen aufeinander folgenden Indexreihen "lange Reihen" zu gewinnen: entweder werden die verschiedenen Indexreihen miteinander verkettet oder aber das "neue" Wägungsschema wird auf die zurückliegenden Perioden angewandt und eine Neuberechnung des Index vorgenommen. Beim erstgenannten Verfahren wird die Bedingung des konstanten Wägungsschemas aufgegeben. Damit wird die Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltung langfristig nicht nur von Preisveränderungen, sondern auch von Änderungen der Mengenstruktur beeinflusst.
Bei einer auf diese Art entstandenen Indexreihe handelt es sich also nicht mehr um einen eliminierten Vergleich – das eigentliche Ziel der Preisstatistik -, bei dem bis auf die Preisveränderungen als verursachender Faktor die Wirkung der übrigen Faktoren ausgeschaltet ist, sondern es liegt lediglich ein uneliminierter Vergleich vor, bei dem die jeweiligen Wirkungen zweier Faktoren, Preisveränderungen einerseits und Änderungen der Mengenstruktur andererseits, quantitativ nicht mehr bestimmt werden können.
Das zweite Verfahren, dessen Anwendung zur Aufhebung der erwähnten Realitätsferne empfohlen wird, wirft Probleme einer angemessenen Berücksichtigung qualitativer Veränderungen verschiedener Waren und Dienstleistungen sowie der Substitution von einzelnen Waren und des Auftauchens neuer Güter auf. Diese Probleme sind in der Praxis kaum zu lösen. Alle methodischen Lösungsvorschläge sind theoretisch mehr oder weniger unbefriedigend.
Eine Möglichkeit, das Problem einer Qualitätsveränderung methodisch zu bewältigen, liegt in ihrer näheren quantitativen Bestimmung; dann können nach Maßgabe dieser Qualitätsveränderungen Abschläge bzw. Zuschläge an den Marktpreisen vorgenommen werden, um über den solcherart konstruierten fiktiven Marktpreis zu einer vergleichbaren Preisveränderung zu gelangen. Eine ähnliche Vorgehensweise, die Definition eines "gemeinsamen natürlichen Äquivalents", kann auch bei der Substitution von Waren gewählt werden. Auf der Grundlage dieses "gemeinsamen natürlichen Äquivalents" werden die Marktpreise für das neue Gut korrigiert und diese fiktiven Preise in die Indexberechnung einbezogen. Sehr oft ist jedoch die Qualitätsveränderung nicht hinreichend genau messbar bzw. die Definition eines "gemeinsamen natürlichen Äquivalents" nicht möglich. Wenn dieses Problem ohne Festlegung eines neuen Wägungsschemas gelöst werden soll, wird in der
statistischen Praxis so vorgegangen, dass für das neue bzw. qualitätsveränderte Gut ein fiktiver Preis für die Basisperiode berechnet wird, unter der Annahme, die Preisentwicklung sei mit der des alten Gutes identisch. Der fiktive Basispreis wird fortan zur Indexberechnung verwendet.
Die bisher beschriebenen Probleme der quantitativen und qualitativen Veränderungen des als Wägungsschema verwendeten "Warenkorbs" machen deutlich, dass der Aussagewert von Preisindizes - und damit auch der des Preisindex für die Lebenshaltung - vornehmlich im eher kurzfristigen Vergleich liegt und die langfristige historische Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltung die tatsächliche Entwicklung der Lebenshaltungskosten nur annähernd und mit gewissen Vorbehalten darstellen kann.
Die Auswahl des "Indexhaushalts", nach dessen Verbrauchsstruktur das Wägungsschema festgelegt wird, ist von großer Bedeutung für die Generalisierbarkeit der ermittelten preisstatistischen Ergebnisse. Wählt man Haushalte eines ganz bestimmten, eng definierten Haushaltstyps als "Indexhaushalt" aus, entsteht das Problem, dass die empirische Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltung nur für diesen Haushaltstyp ausreichend repräsentativ ist. Definiert man dagegen den "Durchschnittshaushalt" - berechnet als arithmetisches Mittel aus allen Privathaushalten - als "Indexhaushalt" und verwendet dessen Verbrauchsstruktur als Wägungsschema, läuft man Gefahr, die Entwicklung des Preisindex der Lebenshaltung für einen fiktiven, in der Realität kaum vorzufindenden Haushaltstyp zu berechnen, von der die Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltung einer relativ großen Zahl von Haushalten und/oder sozialpolitisch relevanter Gruppen, wie z. B. Haushalte von alten oder armen Personen, mehr oder weniger stark abweicht. Um diese Problematik zu berücksichtigen, berechnet das Statistische Bundesamt zurzeit fünf verschiedene Preisindizes für die Lebenshaltung:
(1) Den Preisindex für die Lebenshaltung aller Privaten Haushalte; (2) den Preisindex für die Lebenshaltung von 2-Personen-Haushalten von Renten- und Sozialhilfeempfängern; (3) den Preisindex für die Lebenshaltung von 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalten mit mittlerem Einkommen des allein verdienenden Haushaltsvorstands; (4) den Preisindex für die Lebenshaltung von 4-Personen-Haushalten von Angestellten und Beamten mit höherem Einkommen; (5) den Preisindex für die einfache Lebenshaltung eines Kindes.
Der bekannteste und in der politischen Diskussion am häufigsten verwendete ist der unter Punkt (3) genannte Index.
Die quantitativen und qualitativen Veränderungen der Verbrauchsstruktur, die angemessen durch Modifikationen des Wägungsschemas berücksichtigt werden müssen sowie die Wahl des "Indexhaushalts" und damit die Festlegung des Wägungsschemas, sind die bedeutsamsten theoretischen Probleme, die bei der Konstruktion eines Preisindex für die Lebenshaltung zu lösen sind. Daneben existiert noch eine Anzahl weiterer Probleme, die im folgenden vor allem deshalb erwähnt werden sollen, weil sie nicht nur im Hinblick auf die Konstruktion eines Preisindex für die Lebenshaltung zu lösen, sondern darüber hinaus auch bei dem noch anstehenden Entwurf eines Index der Lebenshaltungskosten zu beachten sind.
Die Wahl eines geeigneten Basisjahrs ist insofern von Relevanz, als die Mengenstruktur und die Preisverhältnisse der Basisperiode sich auf die gesamte weitere Entwicklung des Indexwerts auswirken. Die Frage nach der geeigneten Basisperiode sollte deshalb nur aus sachlichen Erwägungen und nicht nach pragmatischen Überlegungen entschieden werden. Je nach den theoretischen Fragestellungen, denen ein Preisindex für die Lebenshaltung dienen soll, kommt entweder ein Jahr, das von bedeutenden politischen und/oder ökonomischen Ereignissen geprägt ist, oder ein Jahr mit möglichst ausgeglichenen Verhältnissen in Betracht.
Ein weiterer Kritikpunkt richtet sich gegen das in der Regel praktizierte Erhebungsverfahren der Einzelpreise: Statt aus der Gesamtheit der Kaufakte nach dem Zufallsprinzip eine Stichprobe zu ziehen, wird eine Anzahl am Marktgeschehen beteiligter Wirtschaftssubjekte als Preisberichterstatter ausgewählt. Somit kann der Stichprobenfehler nicht quantifiziert werden und es ist unklar, inwieweit die auf der Grundlage dieses Verfahrens ermittelten Preise repräsentativ sind. Die Repräsentativität soll durch die Auswahl der zur Preisberichterstattung herangezogenen Stellen erreicht werden. So theoretisch einleuchtend die Einführung des Verfahrens der Zufallsstichprobe in der Preisstatistik erscheint, so schwierig dürften die dabei in der Praxis auftretenden Probleme zu lösen sein.
In der preisstatistischen Literatur findet sich gelegentlich der Hinweis auf eine unkorrekte Behandlung langlebiger, hochwertiger Gebrauchsgüter. Da solche Güter nicht in jeder Rechnungsperiode neu gekauft werden, gehen sie nur mit Teilen ihres Preises - sozusagen mit Abschreibungsraten - in das Wägungsschema ein. Daraus wird gefolgert, dass Preisveränderungen solcher Güter die Lebenshaltung der Privathaushalte in Perioden, in denen sie nicht gekauft werden, gar nicht beeinflussen. In den Perioden aber, in denen ein langlebiges, hochwertiges Gebrauchsgut gekauft wird, beeinflusse seine Preisentwicklung die Ausgaben für die Lebenshaltung in stärkerem Ausmaß als das durch die Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltung angezeigt wird. Dieser Vorwurf trifft nur dann zu, wenn versucht wird, durch den Preisindex für die Lebenshaltung die Entwicklung der Lebensbedingungen einzelner Haushalte zu charakterisieren. Dazu ist jedoch der Preisindex für die Lebenshaltung nicht geeignet; er ist - bedingt durch die Art seiner Konstruktion - auf eine Durchschnittsbetrachtung beschränkt. Auf dieser Analyseebene sind aber aufgrund der unterschiedlichen Kaufzeitpunkte der einzelnen Privathaushalte langlebige, hochwertige Gebrauchsgüter in der Konstruktion des Preisindex für die Lebenshaltung angemessen berücksichtigt.
Da die Privathaushalte nicht ihr gesamtes Einkommen konsumtiv verwenden, sondern einen im Lauf der wirtschaftlichen Entwicklung steigenden Anteil desselben sparen, erstreckt sich der Preisindex für die Lebenshaltung infolgedessen nicht auf das gesamte Einkommen sondern nur auf den konsumtiv verwendeten Teil. Dadurch werden die Interpretationsmöglichkeiten realer, d.h. durch Deflationierung mit dem Preisindex für die Lebenshaltung aus den nominalen Aggregaten gewonnene Einkommensgrößen in gewissem Umfang eingeschränkt.
Ein Index der Lebenshaltungskosten, der für wohlfahrtsorientierte Fragestellungen von Bedeutung sein soll, dessen Konstruktion aber – wie eingangs erwähnt – erst noch zu leisten ist, müsste als so genannter Befriedigungsindex konstruiert sein. Ein solcher Index misst die Veränderung der Kosten, die zur Aufrechterhaltung eines konstanten Nutzenniveaus aufgewendet werden müssen. Es wird häufig die Ansicht vertreten, ein solcher Index sei grundsätzlich nicht berechenbar, da die Probleme der Nutzenmessung nicht hinreichend gelöst werden könnten, wie es sich in der ökonomischen Theorie gezeigt habe. Es erhebt sich jedoch die Frage, ob man mit der konsumsozilogischen Erkenntnis, dass sich ein Bedürfnis in verschiedenen „Bedarfen“ aus dem Markt konkretisieren kann, die Probleme der Nutzenmessung nicht zumindest teilweise überwinden und bei der Konstruktion eines Index der Lebenshaltungskosten einen Schritt vorankommen könne. Dieser Gedanke soll aber hier nicht weiter verfolgt werden. Allerdings soll nochmals festgestellt werden, dass ein nach der Methode von Laspeyres berechneter Preisindex für die Lebenshaltung eine negativere Entwicklung anzeigt als ein Index der Lebenshaltungskosten dies tun würde. Zu fragen bleibt dann, welche Aussagekraft ein Preisindex für die Lebenshaltung, der nach der Methode von Paasche auf der Grundlage der Mengenstruktur der aktuellen Periode berechnet wird, hinsichtlich der Entwicklung eines Index der Lebenshaltungskosten hätte.
Die Bedeutung des Preisindex für die Lebenshaltung im Hinblick auf die Wohlfahrt von Individuen und Privathaushalten hat im Lauf der historischen Entwicklung zugenommen, da der Anteil an der Bedarfsdeckung, der über Märkte erfolgt, gestiegen ist. Dies ist jedoch kein kontinuierlich verlaufender Prozess, sondern in Zeiten ökonomischer und politischer Krisen tritt neben die Bedarfsdeckung über den Markt, die zumindest teilweise nicht mehr gewährleistet ist, eine vermehrte Bedarfsdeckung durch Leistungen, die im Haushalt selbst erbracht werden, durch Verflechtungen zwischen Privathaushalten, über ‚graue’ und ‚schwarze’ Märkte usw. Der wohlfahrtsbezogene Aussagewert des Preisindex für die Lebenshaltung nimmt also in diesen Zeiten auf Grund des verstärkten Auftretens anderer als marktgerichteter Arten der Bedarfsdeckung stark ab.
Weiterhin wird sein diesbezüglicher Aussagewert dadurch eingeschränkt, dass in ökonomischen und politischen Krisenzeiten eine Anzahl von Gütern, die im „Warenkorb“ enthalten sind und für die Preise ermittelt werden, auf dem Markt nicht mehr – zumindest nicht für alle Bevölkerungskreise – frei erhältlich sind.
Der Preisindex für die Lebenshaltung ist eine in der politischen Diskussion oft verwendete Größe, deren Entwicklung von den verschiedenen politischen Entscheidungsträgern zu beeinflussen versucht wird. Ein von der Bevölkerung negativ bewertete Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltung kann unter Umständen zu Legitimationsproblemen der politischen Machthaber führen und dazu beitragen, Veränderungen der politischen Strukturen herbeizuführen. Deshalb sollte die Entwicklung des Preisindex für die Lebenshaltung in politisch instabilen Zeiten mit besonderer Vorsicht interpretiert werden, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass an der Entwicklung desselben im Interesse der jeweiligen politischen Machthaber statistische Manipulationen vorgenommen wurden.“
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Archival date: Juni 2005
Year of online publication: 1968
Editor in GESIS: Rainer Hinterberg/Jürgen Sensch
Version: Version 1.0.0
Access class: A
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