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Studien Zeitreihen |
ZA 8329 | Staatsfinanzen | Witt, Peter-Christian, Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches von 1872 bis 1924. |
202 Zeitreihen (1872 - 1929) 15 Tabellen |
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Bibliographische Angaben
Studiennummer: ZA 8329
Studientitel: Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches von 1872 bis 1924.
Erhebungs- bzw. Untersuchungszeitraum: 1872 - 1929
Primärforscher: Witt, Peter-Christian
Veröffentlichung (gedruckte Veröffentlichung): Witt, P.-C., 1970: Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches von 1903 bis 1913. Eine Studie zur Innenpolitik des Wilhelminischen Deutschlands. Lübeck/Hamburg: Matthiesen. Witt, P.-C., 1974: Finanzpolitik und sozialer Wandel in Krieg und Inflation, in: Mommsen, H./Petzina, D./Weisbrod, B. (Hrsg.), 1974: Industrielles System und politische Entwicklung in der Weimarer Republik. Düsseldorf, Droste, S. 395-425.
Empfohlene Zitation (Datensatz):
Witt, Peter-Christian, (1970 [2008]) Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches von 1872 bis 1924.
Daten entnommen aus:
GESIS Datenarchiv, Köln. histat.
Studiennummer 8329
Datenfile Version 1.0.0
Studientitel: Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches von 1872 bis 1924.
Erhebungs- bzw. Untersuchungszeitraum: 1872 - 1929
Primärforscher: Witt, Peter-Christian
Veröffentlichung (gedruckte Veröffentlichung): Witt, P.-C., 1970: Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches von 1903 bis 1913. Eine Studie zur Innenpolitik des Wilhelminischen Deutschlands. Lübeck/Hamburg: Matthiesen. Witt, P.-C., 1974: Finanzpolitik und sozialer Wandel in Krieg und Inflation, in: Mommsen, H./Petzina, D./Weisbrod, B. (Hrsg.), 1974: Industrielles System und politische Entwicklung in der Weimarer Republik. Düsseldorf, Droste, S. 395-425.
Empfohlene Zitation (Datensatz):
Witt, Peter-Christian, (1970 [2008]) Die Finanzpolitik des Deutschen Reiches von 1872 bis 1924.
Daten entnommen aus:
GESIS Datenarchiv, Köln. histat.
Studiennummer 8329
Datenfile Version 1.0.0
Inhalt der Studie
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Studienbeschreibung:
Die vorliegende Untersuchung versteht sich als ein Beitrag zur Geschichte der Innenpolitik des wilhelminischen Deutschlands. Dabei nimmt die Analyse der Ausgabenpolitik des Reichs einen breiten Raum ein. Aufgrund der Struktur des Reichshaushalts, dessen größter Posten der Finanzierung des Militärs diente, werden auch die Heeres- und Flottenvorlagen eingehend behandelt. Ausgehend von einer Analyse des Zolltarifgesetztes von 1902 und der diese Politik tragenden Parteien und gesellschaftlichen Gruppen, will die Untersuchung die staatliche Finanzpolitik, die Probleme der Aufbringung und Verteilung der staatlichen Finanzmittel, die Entwicklung der bundesstaatlichen Finanzverfassung und des Reichshaushaltsrechts, sowie das Einwirken von Parteien und wirtschaftlichen und Agitationsverbänden auf diese staatliche Finanzpolitik darstellen. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die seit 1903 immer wieder unternommenen Versuche zur Neuordnung des Reichsfinanzwesens, da hieraus vielfältige Rückschlüsse auf die Struktur des Reichs gezogen werden können. Der Haushaltsplan besitzt dagegen eine hohe Aussagekraft für alle Fragen der staatlichen Sozialpolitik. Die Frage nach der Umwandlung des deutschen Regierungssystems im Kaiserreich im Sinne einer parlamentarischen Regierungsform wird an den konkreten politischen Entscheidungen im Finanzwesen des Reichs überprüft.
Die vorliegende Untersuchung versteht sich als ein Beitrag zur Geschichte der Innenpolitik des wilhelminischen Deutschlands. Dabei nimmt die Analyse der Ausgabenpolitik des Reichs einen breiten Raum ein. Aufgrund der Struktur des Reichshaushalts, dessen größter Posten der Finanzierung des Militärs diente, werden auch die Heeres- und Flottenvorlagen eingehend behandelt. Ausgehend von einer Analyse des Zolltarifgesetztes von 1902 und der diese Politik tragenden Parteien und gesellschaftlichen Gruppen, will die Untersuchung die staatliche Finanzpolitik, die Probleme der Aufbringung und Verteilung der staatlichen Finanzmittel, die Entwicklung der bundesstaatlichen Finanzverfassung und des Reichshaushaltsrechts, sowie das Einwirken von Parteien und wirtschaftlichen und Agitationsverbänden auf diese staatliche Finanzpolitik darstellen. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die seit 1903 immer wieder unternommenen Versuche zur Neuordnung des Reichsfinanzwesens, da hieraus vielfältige Rückschlüsse auf die Struktur des Reichs gezogen werden können. Der Haushaltsplan besitzt dagegen eine hohe Aussagekraft für alle Fragen der staatlichen Sozialpolitik. Die Frage nach der Umwandlung des deutschen Regierungssystems im Kaiserreich im Sinne einer parlamentarischen Regierungsform wird an den konkreten politischen Entscheidungen im Finanzwesen des Reichs überprüft.
Methodologie
Untersuchungsgebiet:
Deutsches Reich, 1872 bis 1924.
Deutsches Reich, 1872 bis 1924.
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Quellentypen:
Grundlage der Berechnung sind die publizierten Haushaltsrechnungen von Reich, Bundesstaaten/Ländern und Gemeinden sowie Sozialversicherungen. Für die Jahre 1914 bis 1914 erfolgte die geschätzte Berechnung von Staatsausgaben und Sozialprodukt aufgrund von Materialien aus dem Reichsfinanz-, Reichswirtschafts- und Reichsarbeitsministerium sowie den entsprechenden bundesstaatlichen bzw. Landesministerien. Für die Angaben über das Sozialprodukt wird die Publikation von Walther G. Hoffmann herangezogen (Hoffmann, W. G., 1965: Das Wachstum der deutschen Wirtschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Berlin/Heidelberg/New York: Springer).
Kaiserliches Statistisches Amt (Hrsg.), 1903 ff: Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1903 -1915. Berlin.
Kaiserliches Statistisches Amt (Hrsg.), 1903 ff: Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches 1903ff. Berlin.
Einzelschriften zur Statistik des Deutschen Reichs, Nr. 10 (1930).
Konjunkturstatistisches Handbuch 1936 (1935).
Als veröffentlichten Quellen hat die Arbeit vor allem die Stenographischen Berichte des Reichstags und des Preußischen Abgeordnetenhauses herangezogen. Daneben wurde eine Reihe von Zeitungen und Zeitschriften ausgewertet, - allerdings zum großen Teil nach den reichaltigen Ausschnittsammlungen der preußischen und der Reichsressorts und der statistischen Abteilung der Reichsbank. Im wesentlichen basiert die vorliegende Studie aber auf großen Fülle ungedruckten, für die Forschung bisher nicht ausgewerteten Materials. An erste Stelle sind hier die Akten der ehemaligen Reichsämter und preußischen Ministerien zu nennen, die heute in den Deutschen Zentralarchiven in Potsdam und Merseburg verwahrt werden. In Potsdam wurden die Akten des Reichsschatzamtes, der Reichskanzlei, des Reichsamts des Inneren, des Reichstags, der Reichsbank und des Reichsrechnungshofs, sowie eine Reihe von Nachlässen und Parteiakten auf alle finanzpolitischen Probleme durchgesehen. Die größte Bedeutung hatten die Akten des Reichsschatzamtes und die finanzpolitischen Aktenreihen der Reichskanzlei.
Archivalische Quellen aus: Deutsches Zentralarchiv Potsdam (DZA I); Deutsches Zentralarchiv Merseburg (DZA II); Bundesarchiv Koblenz (?A Koblenz); Hauptarchiv Berlin-Dahlem; Bayrisches Hauptstaatsarchiv München; Landeshauptarchiv Dresden; Staatsarchiv Hamburg; Staatsarchiv Lübeck.
Grundlage der Berechnung sind die publizierten Haushaltsrechnungen von Reich, Bundesstaaten/Ländern und Gemeinden sowie Sozialversicherungen. Für die Jahre 1914 bis 1914 erfolgte die geschätzte Berechnung von Staatsausgaben und Sozialprodukt aufgrund von Materialien aus dem Reichsfinanz-, Reichswirtschafts- und Reichsarbeitsministerium sowie den entsprechenden bundesstaatlichen bzw. Landesministerien. Für die Angaben über das Sozialprodukt wird die Publikation von Walther G. Hoffmann herangezogen (Hoffmann, W. G., 1965: Das Wachstum der deutschen Wirtschaft seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Berlin/Heidelberg/New York: Springer).
Kaiserliches Statistisches Amt (Hrsg.), 1903 ff: Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1903 -1915. Berlin.
Kaiserliches Statistisches Amt (Hrsg.), 1903 ff: Vierteljahreshefte zur Statistik des Deutschen Reiches 1903ff. Berlin.
Einzelschriften zur Statistik des Deutschen Reichs, Nr. 10 (1930).
Konjunkturstatistisches Handbuch 1936 (1935).
Als veröffentlichten Quellen hat die Arbeit vor allem die Stenographischen Berichte des Reichstags und des Preußischen Abgeordnetenhauses herangezogen. Daneben wurde eine Reihe von Zeitungen und Zeitschriften ausgewertet, - allerdings zum großen Teil nach den reichaltigen Ausschnittsammlungen der preußischen und der Reichsressorts und der statistischen Abteilung der Reichsbank. Im wesentlichen basiert die vorliegende Studie aber auf großen Fülle ungedruckten, für die Forschung bisher nicht ausgewerteten Materials. An erste Stelle sind hier die Akten der ehemaligen Reichsämter und preußischen Ministerien zu nennen, die heute in den Deutschen Zentralarchiven in Potsdam und Merseburg verwahrt werden. In Potsdam wurden die Akten des Reichsschatzamtes, der Reichskanzlei, des Reichsamts des Inneren, des Reichstags, der Reichsbank und des Reichsrechnungshofs, sowie eine Reihe von Nachlässen und Parteiakten auf alle finanzpolitischen Probleme durchgesehen. Die größte Bedeutung hatten die Akten des Reichsschatzamtes und die finanzpolitischen Aktenreihen der Reichskanzlei.
Archivalische Quellen aus: Deutsches Zentralarchiv Potsdam (DZA I); Deutsches Zentralarchiv Merseburg (DZA II); Bundesarchiv Koblenz (?A Koblenz); Hauptarchiv Berlin-Dahlem; Bayrisches Hauptstaatsarchiv München; Landeshauptarchiv Dresden; Staatsarchiv Hamburg; Staatsarchiv Lübeck.
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Anmerkungen:
(Zitat aus: Witt, P.-C., 1974: Finanzpolitik und sozialer Wandel in Krieg und Inflation, in: Mommsen, H./Petzina, D./Weisbrod, B. (Hrsg.), 1974: Industrielles System und politische Entwicklung in der Weimarer Republik. Düsseldorf, Droste, S. 397):
„Zur begrifflichen Klarstellung sei folgende vermerkt: Finanzpolitik soll verstanden werden als die staatliche Aufbringungs- und Verteilungspolitik sowie die Geld-, Kredit- und Währungspolitik und darüber hinaus auch als die mit Mitteln der Finanzpolitik betriebene oder mit ihren Erfordernissen begründete Wirtschafts- und Außenhandelspolitik. Dieser weit gefasste Begriff, der sicherlich die Grenzen dessen sprengt, was Zeitgenossen damals unter Finanzpolitik verstanden, erweist sich für die Analyse unseres Problems als besonders fruchtbar und kommt der theoretischen Forderung nach einer integrierten staatlichen Finanz- und Wirtschaftspolitik weit entgegen. Freilich wird er nur als operationale Basis für die Analyse verwandt, ohne damit jedoch die damals handelnden Politiker nachträglich an unserem heutigen Erkenntnisstand messen oder ihnen gar eine an ihm orientierte Zweckrationalität des Handeln unterstellen zu wollen“.
A. Statistische Übersichten, Zeitraum 1872 bis 1913
Tabelle A1. (in der Publikation Tab. V):
Als Endpunkt dieser statistischen Nachweisungen wurde das Jahr 1905 gewählt, da 1906 durch das Inkrafttreten des Zolltarifs und der Steuerreform neue Gegebenheiten eintraten.
Die Einnahmen des Reiches aus den Verbrauchssteuern, den Stempelabgaben und den Zöllen steigerten sich seit 1879 kontinuierlich, nur durch kurze Perioden wirtschaftlicher Rezession 1886, 1891/92 und 1901/02 unterbrochen, in denen die Zuwachsraten des Nettoinlandprodukts deutlich zurückgingen oder sich das Nettoinlandprodukt sogar verringerte. Allerdings zeigten sich bei den Zolleinnahmen, die immer zu mindestens 35% aus der Einfuhr tierischer und pflanzlicher Lebensmittel stammten, stets starke Schwankungen, da sie von dem Ausfall der inländischen Ernte abhingen und relativ häufigen Änderungen der Zollsätze unterworfen waren. Eine einigermaßen zutreffende Vorausschätzung der Zolleinnahmen war daher kaum möglich und die Bilanzierung des Haushalts aus diesem Grunde stets gefährdet.
Die eigenen Einnahmen des Reichs haben während der Jahre 1872 bis 1905 nur in einem einzigen Jahr die Ausgaben übertroffen, während sonst ein erheblicher nicht durch Steuern und Zölle gedeckter Zuschussbedarf bestand, der zum größeren Teil durch Schuldaufnahmen, zum geringeren Teil durch ungedeckte Matrikularbeiträge der Bundesstaaten gedeckt wurde. Trotz dieser ständig prekären Haushaltslage zahlte das Reich in den Jahren 1883 bis 1898 aufgrund der Francken steinschen Klausel rd. 544 Mill. M Mehrüberweisungen an die Einzelstaaten, die dadurch in der Lage waren auf erhebliche Einnahmen aus den direkten Steuern zu verzichten. Die Einnahmen des Reichs aus den Betriebsverwaltungen trugen nur mit 3 bis 4% zu den Ausgaben des Reichs bei und hatten im Gegensatz zu den preußischen Betriebsverwaltungen und Domänen nur eine geringe Bedeutung für den Reichshaushalt.
Quellen zur Tabelle V: Stenographische Berichte des Reichstags Bd. 249, Nr. 1035 I, S. 14 ff., 19, 31, 64ff.; Stenographische Berichte des Reichstags Bd. 251, Nr. 1035 IV, S. 5; Hans Günther Caasen, Die Steuer- und Zolleinnahmen des Deutschen Reiches 1872-1944, Statistischer Anhang 1 a; Bruno Moll, Die finanzielle Bedeutung der öffentlichen Unternehmungen, in: Festschrift für Georg Schanz, Bd. 1, Tübingen 1928, S. 231 ff.; Reinhard Oehler, Finanzen und Rentabilität der deutschen Reichspost 1900-1927, Leipzig 1929, S. 78f.; Stat. Jb. für das Dt. Reich 1900ff., Abschnitt XV 1.
Tabelle A2a. und A2b. (in der Publikation Tab. XIV:
Die überproportionale Zunahme der Reichsausgaben im Verhältnis zu den übrigen öffentlichen Finanzwirtschaften lag im wesentlichen in der absolut und relativ stärkeren Zunahme des wichtigsten Reichsausgabenzweiges, der Rüstungslasten, begründet.
Unter ‚Rüstungsausgaben’ werden hier verstanden: die ordentlichen und außerordentlichen Etats der Heeres- und Marineverwaltung, die Militärpensionen, die Invalidenversorgung durch den Reichsinvalidenfonds, die Kosten für die militärischen Expeditionen nach Ostasien und Südwestafrika, der Schuldendienst der für militärische Zwecke aufgenommenen Anleihen (deren Berechnung erfolgte aufgrund der Anleihedenkschriften des Bundesrats, Bundesarchiv Koblenz, Reichsfinanzministerium Nr. 1849), die Kosten für die aus militärischen Gründen erfolgte Erweiterung des Nord-Ostsee-Kanals, die Kosten der Kolonialtruppen, die Kosten für den Bau strategischer Bahnen (nur Reichsanteil) sowie eine Reihe weiterer kleinerer Ausgaben für militärische Zwecke, die in den Spezialetats der übrigen zivilen Reichsressorts versteckt wurden.
Die Rüstungsausgaben des Reiches nahmen jährlich um 5,06% zu, die allgemeinen Verwaltungsausgaben des Reiches nur um. 4,1%. Die Angaben beruhen auf eigenen Berechnungen und weichen von denen bei Walther G. Hoffmann, S. 140, angegebenen Steigerungsraten ab. Offensichtlich hat Hoffmann einige von dem Verf. mit Bruno Moll, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, Berlin 1930, S. 135f., als Verteidigungslasten angesehene Ausgaben, z. B. die Ausgaben des Reichsinvalidenfonds, die im Reichsschatzamt etatisierten Militärausgaben und die Militärpensionen, nicht als Verteidigungslasten gerechnet. Er folgt damit den in den Reichtagsdrucksachen des Reichsschatzamtes (RT Bd. 249, Nr. 1035 I, S. 5) angegebenen methodischen Prinzipien, die auch im Werk des Reichsarchivs, Der Weltkrieg 1914-18, 1. Anlagenband, Kriegsrüstung und Kriegswirtschaft, Berlin 1930, angewandt wurden. Johannes Kandler, Der deutsche Heeresetat vor und nach dem Kriege, Leipzig 1930, S. 89 ff., und Heinz Junghänel, Marinehaushalt und Marineausgabenpolitik in Deutschland, Lucka 1932, S. 96, haben in ihren Untersuchungen mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass zu den Rüstungsausgaben auch alle Kriegsfolgelasten, alle Pensionen des Militärs und der Schuldendienst für die zu militärischen Zwecken aufgenommenen Anleihen gehören.
Die Ausgaben der Heeresverwaltung erhöhten sich von durchschnittlich jährlich 324,8 Mill. M in den Jahren 1872/75 (ausschließlich der aus der französischen Kriegsentschädigung bestrittenen) auf 669,9 Mill. M in den Jahren 1901/05, die der Marine von 36,2 auf 223,1 Mill. M in den gleichen Zeitabschnitten.235 Der Gesamtaufwand für die Verteidigung, einschließlich aller Kriegsfolgelasten, der Aufwendungen für den Schuldendienst, der zu Rüstungszwecken aufgenommenen Anleihen und der Pensionen, sowie der kriegerischen Expeditionen nach Ostasien und Südwestafrika, aber ohne die Kosten der Schutzgebietstruppen, betrug durchschnittlich etwa 85 bis 90% der Reinausgaben des Reiches. Die Ausgaben für die übrigen Verwaltungszweige und für den Anteil des Reiches an den Sozialversicherungslasten nahmen dagegen nur einen bescheidenen Teil der Gesamtausgaben des Reichs ein. Die Möglichkeiten zur Beeinflussung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung durch den Reichshaushalt waren in der betrachteten Periode verhältnismäßig gering, da der Anteil der Reichsausgaben nur durchschnittlich 4,1% des gesamten Nettosozialprodukts zu Marktpreisen betrug und auch in der Reichsverwaltung der Anteil der persönlichen Kosten höher war als der der sächlichen. Nur durch die Etats der Post, Eisenbahnen, der Marine und des Heeres gewann der Reichshaushalt auf zwei Gebieten größere Bedeutung, einmal für das Baugewerbe, zum anderen im Bereich der Eisen schaffenden Industrie und der Werften, doch lassen sich Umfang und Bedeutung der durch die Ausgabenpolitik des Reiches hervorgerufenen Beeinflussung der gesamtwirtschaftlichen Lage nicht ziffernmäßig feststellen, da teilweise die notwendigen statistischen Unterlagen fehlen, teilweise die vorhandenen Unterlagen noch nicht aufgearbeitet sind. Lediglich der Anteil aller öffentlichen Finanzwirtschaften und der Eisenbahnen an den gesamten Investitionen lässt sich nachweisen, er betrug in den Jahren 1900 bis 1913 zwischen 15,27% (1906) und 24,14% (1902) und stieg charakteristischer Weise in Zeiten wirtschaftlicher Rezession stark an. Von einer bewusst antizyklischen öffentlichen Wirtschaftspolitik kann allerdings in der Kaiserzeit noch keine Rede sein.
C. Öffentliche Ausgaben 1914 bis 1924
Bis 1913 liegen teilweise nur Netto - Etats (Reich und ein Teil der Bundesstaaten) bzw. Schätzungen (Gemeinden) vor. Für die Jahre 1914 bis 1924 existieren überhaupt keine brauchbaren finanzstatistischen Veröffentlichungen. „Eine exakte Bestimmung der Zunahme der Staatstätigkeit in dem Zeitraum zwischen 1914 und 1923/24 ist wegen der Quellenlage sehr schwierig; denn nicht nur das statistische Material für die Berechnung der öffentlichen Ausgaben befinden sich in einem desolaten Zustand, sondern auch eine nur annähernd zutreffende, auf vergleichbare Wertgrößen beruhende Soziaproduktberechnung ist nahezu unmöglich die veröffentlichten Haushaltsrechnungen für Reich und Länder (Bundesstaaten) sind buchstäblich nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind; darüber hinaus sind die Haushaltsakten von Reich und Ländern seit dem Haushaltsjahr 1914 (und zwar sowohl aus den jeweiligen Finanzministerien wie aus den Haushaltsreferaten der übrigen Ministerien) 1943 zur Vernichtung freigegeben worden. Eine, wenn auch recht mühselige und nicht ganz vollständige Rekonstruktion des Reichshaushalts ist mit Hilfe des in anderen Beständen des Reichsfinanzministeriums (RFM) vorhandenen Materials möglich; ähnliches gilt auch für die Länder (Bundesstaaten-) haushalte. Noch desolater ist naturgemäß die Situation für die Gemeindefinanzen“ (Witt, P.-C., 1974: Finanzpolitik und sozialer Wandel in Krieg und Inflation, in: Mommsen, H./Petzina, D./Weisbrod, B. (Hrsg.), 1974: Industrielles System und politische Entwicklung in der Weimarer Republik. Düsseldorf, Droste, S. 398).
„Eine Schwierigkeit besteht darin, wie der Anteil der Staatsausgaben und damit der Anteil des öffentlichen Verbrauchs am Sozialprodukt definiert werden soll. Walther G. Hoffmann’s Einengung auf den echten „öffentlichen Verbrauch“ (Hoffmann, W.G., 1965: Das Wachstum der deutschen Wirtschaft seit Mitte des 19. Jahrhunderts, S. 107ff), S. 147ff; Hoffmann definiert den öffentlichen Verbrauch streng als vom Staat verbrauchte Leistungen, d.h. die staatlichen Transferzahlungen wie Pensionen, Schuldendienst für öffentliche Anleihen, Subventionen und einige Leistungen der Sozialversicherungen bleiben, weil wieder dem privaten Verbrauch zufließend, ebenso unberücksichtigt wie staatliche Ersparnisbildung). …
Dem eigenen Erkenntnisinteresse würde es daher am ehesten entsprechen, wenn es gelingen würde, sämtliche aufgrund staatlicher Entscheidungen aufgebrachte und umverteilte Beträge zu erfassen und diese als ‚öffentlicher Verbrauch’ zu definieren, d.h. neben den Haushalten von Reich, Ländern und Gemeinden die sogenannten Parafisci, wie z.B. die Sozialversicherungen, müssten alle Leistungen, die von Privaten aufgrund gesetzlicher Verpflichtung entweder an staatliche Organe oder andere Private erbracht werden (indirekte Staatsausgaben), sowie alle aus finanzpolitischen Maßnahmen entstehenden Einkommensredistributionsprozesse zwischen Privaten erfasst werden. Freilich lassen die beiden letztgenannten Kategorien quantitativ nicht genau genug erfassen, so dass hier nur die öffentlichen Haushalte und die Sozialversicherungen (direkte Staatsausgaben) herangezogen werden können. Für die Vergleichsperioden 1910 bis 1913 und 1925 bis 1929 dürften dadurch erhebliche Abweichungen nach unten im Anteil des öffentlichen Verbrauchs am Sozialprodukt entstehen; für die Jahre 1914 bis 1924 dürften dagegen die Schätzfehler bei der Berechnung des NSP und der direkten Staatsausgaben jeweils allein größer sein als die indirekten Staatsausgaben“ (Witt, a. a. O., S. 399f).
„Für den Zeitraum 1914 bis 1924 würden Berechnungen in laufenden Preisen naturgemäß keine Aussagekraft besitzen, daher muß hier mit Preisen von 1913 gearbeitet werden. Das wirft sofort neue methodische Probleme auf: zweifellos ist es nicht sehr sinnvoll, wie es das Statistische Reichsamt bei seinen Berechnungen der sogenannten Goldmarkausgaben des Reiches getan hat, mit einem Dollarindex oder dem Lebenshaltungskostenindex zu arbeiten, denn die Preise für vom Staat gekaufte Güter und Dienstleistungen haben sich keineswegs parallel zum Preisindex der Lebenshaltungskosten und schon gar nicht zu dem des Dollars entwickelt. Für die eigenen Berechnungen wird daher ein Mischindex aus Lebenshaltungskosten und Großhandelspreisen verwendet. Mit der Verschiebung der öffentlichen Ausgaben zwischen sächlichen und persönlichen Ausgaben in Kriegs- und Nachkriegszeit wird eine verschiedene Gewichtung verwendet. In der Nachkriegszeit wird zudem anteilsmäßig der Importpreisindex (für die staatlichen Lebensmittelkäufe) und der Dollarindex (für Reparationsbarzahlungen) verwandt“ (Witt, a. a. O., S. 400).
„Dass auch der prozentuale Anteil der Staatsausgaben am Nettosozialprodukt zu Faktorkosten (Volkseinkommen) in der Periode 1914 bis 1924 stark angewachsen ist, kann ohne weiteres angenommen werden; sehr viel schwieriger ist jedoch, wie dargelegt, die exakte Bestimmung dieses Prozesses. Dennoch ist hier der Versuch unternommen worden, mit Hilfe der Einkommenssteuernachweisungen eine Schätzung des Volkseinkommens in den Jahren 1914 bis 1924 vorzunehmen“ (Witt, a. a. O., S. 401; zu den von Witt verwendeten Quellen siehe das beigefügte PDF - Dokument). Kontrollberechnungen, die nach denselben Prinzipien auch für die Periode 1915 bis 1929 durchgeführt wurden, führten genauso zu recht großer Übereinstimmung mit Hoffmann’s Reihe (Hoffmann, a. a. O., S. 453ff) wie auch ein Vergleich mit anderen Schätzungen, die auf Indikatoren, wie Beschäftigungslage und Produktionsindizes einzelner industrieller Güter und der Landwirtschaft beruhen.
Nach der vorliegenden Schätzung scheint das Volkseinkommen im Kriege bis zu 21,2% unter dem von 1913 gelegen zu haben, fiel dann 1919 auf wenig über 70% des Standes von 1913 und stieg in den folgenden Jahren mit Ausnahme des Jahres 1923, in dem sich die Folgen der Ruhrbesetzung und der Inflation kumulierten, ständig an und erreichte in der Periode 1925 bis 1929 rd. 97,1% des Vorkriegsstandes“ (Witt, a. a. O., S. 401f).
(Zitat aus: Witt, P.-C., 1974: Finanzpolitik und sozialer Wandel in Krieg und Inflation, in: Mommsen, H./Petzina, D./Weisbrod, B. (Hrsg.), 1974: Industrielles System und politische Entwicklung in der Weimarer Republik. Düsseldorf, Droste, S. 397):
„Zur begrifflichen Klarstellung sei folgende vermerkt: Finanzpolitik soll verstanden werden als die staatliche Aufbringungs- und Verteilungspolitik sowie die Geld-, Kredit- und Währungspolitik und darüber hinaus auch als die mit Mitteln der Finanzpolitik betriebene oder mit ihren Erfordernissen begründete Wirtschafts- und Außenhandelspolitik. Dieser weit gefasste Begriff, der sicherlich die Grenzen dessen sprengt, was Zeitgenossen damals unter Finanzpolitik verstanden, erweist sich für die Analyse unseres Problems als besonders fruchtbar und kommt der theoretischen Forderung nach einer integrierten staatlichen Finanz- und Wirtschaftspolitik weit entgegen. Freilich wird er nur als operationale Basis für die Analyse verwandt, ohne damit jedoch die damals handelnden Politiker nachträglich an unserem heutigen Erkenntnisstand messen oder ihnen gar eine an ihm orientierte Zweckrationalität des Handeln unterstellen zu wollen“.
A. Statistische Übersichten, Zeitraum 1872 bis 1913
Tabelle A1. (in der Publikation Tab. V):
Als Endpunkt dieser statistischen Nachweisungen wurde das Jahr 1905 gewählt, da 1906 durch das Inkrafttreten des Zolltarifs und der Steuerreform neue Gegebenheiten eintraten.
Die Einnahmen des Reiches aus den Verbrauchssteuern, den Stempelabgaben und den Zöllen steigerten sich seit 1879 kontinuierlich, nur durch kurze Perioden wirtschaftlicher Rezession 1886, 1891/92 und 1901/02 unterbrochen, in denen die Zuwachsraten des Nettoinlandprodukts deutlich zurückgingen oder sich das Nettoinlandprodukt sogar verringerte. Allerdings zeigten sich bei den Zolleinnahmen, die immer zu mindestens 35% aus der Einfuhr tierischer und pflanzlicher Lebensmittel stammten, stets starke Schwankungen, da sie von dem Ausfall der inländischen Ernte abhingen und relativ häufigen Änderungen der Zollsätze unterworfen waren. Eine einigermaßen zutreffende Vorausschätzung der Zolleinnahmen war daher kaum möglich und die Bilanzierung des Haushalts aus diesem Grunde stets gefährdet.
Die eigenen Einnahmen des Reichs haben während der Jahre 1872 bis 1905 nur in einem einzigen Jahr die Ausgaben übertroffen, während sonst ein erheblicher nicht durch Steuern und Zölle gedeckter Zuschussbedarf bestand, der zum größeren Teil durch Schuldaufnahmen, zum geringeren Teil durch ungedeckte Matrikularbeiträge der Bundesstaaten gedeckt wurde. Trotz dieser ständig prekären Haushaltslage zahlte das Reich in den Jahren 1883 bis 1898 aufgrund der Francken steinschen Klausel rd. 544 Mill. M Mehrüberweisungen an die Einzelstaaten, die dadurch in der Lage waren auf erhebliche Einnahmen aus den direkten Steuern zu verzichten. Die Einnahmen des Reichs aus den Betriebsverwaltungen trugen nur mit 3 bis 4% zu den Ausgaben des Reichs bei und hatten im Gegensatz zu den preußischen Betriebsverwaltungen und Domänen nur eine geringe Bedeutung für den Reichshaushalt.
Quellen zur Tabelle V: Stenographische Berichte des Reichstags Bd. 249, Nr. 1035 I, S. 14 ff., 19, 31, 64ff.; Stenographische Berichte des Reichstags Bd. 251, Nr. 1035 IV, S. 5; Hans Günther Caasen, Die Steuer- und Zolleinnahmen des Deutschen Reiches 1872-1944, Statistischer Anhang 1 a; Bruno Moll, Die finanzielle Bedeutung der öffentlichen Unternehmungen, in: Festschrift für Georg Schanz, Bd. 1, Tübingen 1928, S. 231 ff.; Reinhard Oehler, Finanzen und Rentabilität der deutschen Reichspost 1900-1927, Leipzig 1929, S. 78f.; Stat. Jb. für das Dt. Reich 1900ff., Abschnitt XV 1.
Tabelle A2a. und A2b. (in der Publikation Tab. XIV:
Die überproportionale Zunahme der Reichsausgaben im Verhältnis zu den übrigen öffentlichen Finanzwirtschaften lag im wesentlichen in der absolut und relativ stärkeren Zunahme des wichtigsten Reichsausgabenzweiges, der Rüstungslasten, begründet.
Unter ‚Rüstungsausgaben’ werden hier verstanden: die ordentlichen und außerordentlichen Etats der Heeres- und Marineverwaltung, die Militärpensionen, die Invalidenversorgung durch den Reichsinvalidenfonds, die Kosten für die militärischen Expeditionen nach Ostasien und Südwestafrika, der Schuldendienst der für militärische Zwecke aufgenommenen Anleihen (deren Berechnung erfolgte aufgrund der Anleihedenkschriften des Bundesrats, Bundesarchiv Koblenz, Reichsfinanzministerium Nr. 1849), die Kosten für die aus militärischen Gründen erfolgte Erweiterung des Nord-Ostsee-Kanals, die Kosten der Kolonialtruppen, die Kosten für den Bau strategischer Bahnen (nur Reichsanteil) sowie eine Reihe weiterer kleinerer Ausgaben für militärische Zwecke, die in den Spezialetats der übrigen zivilen Reichsressorts versteckt wurden.
Die Rüstungsausgaben des Reiches nahmen jährlich um 5,06% zu, die allgemeinen Verwaltungsausgaben des Reiches nur um. 4,1%. Die Angaben beruhen auf eigenen Berechnungen und weichen von denen bei Walther G. Hoffmann, S. 140, angegebenen Steigerungsraten ab. Offensichtlich hat Hoffmann einige von dem Verf. mit Bruno Moll, Lehrbuch der Finanzwissenschaft, Berlin 1930, S. 135f., als Verteidigungslasten angesehene Ausgaben, z. B. die Ausgaben des Reichsinvalidenfonds, die im Reichsschatzamt etatisierten Militärausgaben und die Militärpensionen, nicht als Verteidigungslasten gerechnet. Er folgt damit den in den Reichtagsdrucksachen des Reichsschatzamtes (RT Bd. 249, Nr. 1035 I, S. 5) angegebenen methodischen Prinzipien, die auch im Werk des Reichsarchivs, Der Weltkrieg 1914-18, 1. Anlagenband, Kriegsrüstung und Kriegswirtschaft, Berlin 1930, angewandt wurden. Johannes Kandler, Der deutsche Heeresetat vor und nach dem Kriege, Leipzig 1930, S. 89 ff., und Heinz Junghänel, Marinehaushalt und Marineausgabenpolitik in Deutschland, Lucka 1932, S. 96, haben in ihren Untersuchungen mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass zu den Rüstungsausgaben auch alle Kriegsfolgelasten, alle Pensionen des Militärs und der Schuldendienst für die zu militärischen Zwecken aufgenommenen Anleihen gehören.
Die Ausgaben der Heeresverwaltung erhöhten sich von durchschnittlich jährlich 324,8 Mill. M in den Jahren 1872/75 (ausschließlich der aus der französischen Kriegsentschädigung bestrittenen) auf 669,9 Mill. M in den Jahren 1901/05, die der Marine von 36,2 auf 223,1 Mill. M in den gleichen Zeitabschnitten.235 Der Gesamtaufwand für die Verteidigung, einschließlich aller Kriegsfolgelasten, der Aufwendungen für den Schuldendienst, der zu Rüstungszwecken aufgenommenen Anleihen und der Pensionen, sowie der kriegerischen Expeditionen nach Ostasien und Südwestafrika, aber ohne die Kosten der Schutzgebietstruppen, betrug durchschnittlich etwa 85 bis 90% der Reinausgaben des Reiches. Die Ausgaben für die übrigen Verwaltungszweige und für den Anteil des Reiches an den Sozialversicherungslasten nahmen dagegen nur einen bescheidenen Teil der Gesamtausgaben des Reichs ein. Die Möglichkeiten zur Beeinflussung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung durch den Reichshaushalt waren in der betrachteten Periode verhältnismäßig gering, da der Anteil der Reichsausgaben nur durchschnittlich 4,1% des gesamten Nettosozialprodukts zu Marktpreisen betrug und auch in der Reichsverwaltung der Anteil der persönlichen Kosten höher war als der der sächlichen. Nur durch die Etats der Post, Eisenbahnen, der Marine und des Heeres gewann der Reichshaushalt auf zwei Gebieten größere Bedeutung, einmal für das Baugewerbe, zum anderen im Bereich der Eisen schaffenden Industrie und der Werften, doch lassen sich Umfang und Bedeutung der durch die Ausgabenpolitik des Reiches hervorgerufenen Beeinflussung der gesamtwirtschaftlichen Lage nicht ziffernmäßig feststellen, da teilweise die notwendigen statistischen Unterlagen fehlen, teilweise die vorhandenen Unterlagen noch nicht aufgearbeitet sind. Lediglich der Anteil aller öffentlichen Finanzwirtschaften und der Eisenbahnen an den gesamten Investitionen lässt sich nachweisen, er betrug in den Jahren 1900 bis 1913 zwischen 15,27% (1906) und 24,14% (1902) und stieg charakteristischer Weise in Zeiten wirtschaftlicher Rezession stark an. Von einer bewusst antizyklischen öffentlichen Wirtschaftspolitik kann allerdings in der Kaiserzeit noch keine Rede sein.
C. Öffentliche Ausgaben 1914 bis 1924
Bis 1913 liegen teilweise nur Netto - Etats (Reich und ein Teil der Bundesstaaten) bzw. Schätzungen (Gemeinden) vor. Für die Jahre 1914 bis 1924 existieren überhaupt keine brauchbaren finanzstatistischen Veröffentlichungen. „Eine exakte Bestimmung der Zunahme der Staatstätigkeit in dem Zeitraum zwischen 1914 und 1923/24 ist wegen der Quellenlage sehr schwierig; denn nicht nur das statistische Material für die Berechnung der öffentlichen Ausgaben befinden sich in einem desolaten Zustand, sondern auch eine nur annähernd zutreffende, auf vergleichbare Wertgrößen beruhende Soziaproduktberechnung ist nahezu unmöglich die veröffentlichten Haushaltsrechnungen für Reich und Länder (Bundesstaaten) sind buchstäblich nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind; darüber hinaus sind die Haushaltsakten von Reich und Ländern seit dem Haushaltsjahr 1914 (und zwar sowohl aus den jeweiligen Finanzministerien wie aus den Haushaltsreferaten der übrigen Ministerien) 1943 zur Vernichtung freigegeben worden. Eine, wenn auch recht mühselige und nicht ganz vollständige Rekonstruktion des Reichshaushalts ist mit Hilfe des in anderen Beständen des Reichsfinanzministeriums (RFM) vorhandenen Materials möglich; ähnliches gilt auch für die Länder (Bundesstaaten-) haushalte. Noch desolater ist naturgemäß die Situation für die Gemeindefinanzen“ (Witt, P.-C., 1974: Finanzpolitik und sozialer Wandel in Krieg und Inflation, in: Mommsen, H./Petzina, D./Weisbrod, B. (Hrsg.), 1974: Industrielles System und politische Entwicklung in der Weimarer Republik. Düsseldorf, Droste, S. 398).
„Eine Schwierigkeit besteht darin, wie der Anteil der Staatsausgaben und damit der Anteil des öffentlichen Verbrauchs am Sozialprodukt definiert werden soll. Walther G. Hoffmann’s Einengung auf den echten „öffentlichen Verbrauch“ (Hoffmann, W.G., 1965: Das Wachstum der deutschen Wirtschaft seit Mitte des 19. Jahrhunderts, S. 107ff), S. 147ff; Hoffmann definiert den öffentlichen Verbrauch streng als vom Staat verbrauchte Leistungen, d.h. die staatlichen Transferzahlungen wie Pensionen, Schuldendienst für öffentliche Anleihen, Subventionen und einige Leistungen der Sozialversicherungen bleiben, weil wieder dem privaten Verbrauch zufließend, ebenso unberücksichtigt wie staatliche Ersparnisbildung). …
Dem eigenen Erkenntnisinteresse würde es daher am ehesten entsprechen, wenn es gelingen würde, sämtliche aufgrund staatlicher Entscheidungen aufgebrachte und umverteilte Beträge zu erfassen und diese als ‚öffentlicher Verbrauch’ zu definieren, d.h. neben den Haushalten von Reich, Ländern und Gemeinden die sogenannten Parafisci, wie z.B. die Sozialversicherungen, müssten alle Leistungen, die von Privaten aufgrund gesetzlicher Verpflichtung entweder an staatliche Organe oder andere Private erbracht werden (indirekte Staatsausgaben), sowie alle aus finanzpolitischen Maßnahmen entstehenden Einkommensredistributionsprozesse zwischen Privaten erfasst werden. Freilich lassen die beiden letztgenannten Kategorien quantitativ nicht genau genug erfassen, so dass hier nur die öffentlichen Haushalte und die Sozialversicherungen (direkte Staatsausgaben) herangezogen werden können. Für die Vergleichsperioden 1910 bis 1913 und 1925 bis 1929 dürften dadurch erhebliche Abweichungen nach unten im Anteil des öffentlichen Verbrauchs am Sozialprodukt entstehen; für die Jahre 1914 bis 1924 dürften dagegen die Schätzfehler bei der Berechnung des NSP und der direkten Staatsausgaben jeweils allein größer sein als die indirekten Staatsausgaben“ (Witt, a. a. O., S. 399f).
„Für den Zeitraum 1914 bis 1924 würden Berechnungen in laufenden Preisen naturgemäß keine Aussagekraft besitzen, daher muß hier mit Preisen von 1913 gearbeitet werden. Das wirft sofort neue methodische Probleme auf: zweifellos ist es nicht sehr sinnvoll, wie es das Statistische Reichsamt bei seinen Berechnungen der sogenannten Goldmarkausgaben des Reiches getan hat, mit einem Dollarindex oder dem Lebenshaltungskostenindex zu arbeiten, denn die Preise für vom Staat gekaufte Güter und Dienstleistungen haben sich keineswegs parallel zum Preisindex der Lebenshaltungskosten und schon gar nicht zu dem des Dollars entwickelt. Für die eigenen Berechnungen wird daher ein Mischindex aus Lebenshaltungskosten und Großhandelspreisen verwendet. Mit der Verschiebung der öffentlichen Ausgaben zwischen sächlichen und persönlichen Ausgaben in Kriegs- und Nachkriegszeit wird eine verschiedene Gewichtung verwendet. In der Nachkriegszeit wird zudem anteilsmäßig der Importpreisindex (für die staatlichen Lebensmittelkäufe) und der Dollarindex (für Reparationsbarzahlungen) verwandt“ (Witt, a. a. O., S. 400).
„Dass auch der prozentuale Anteil der Staatsausgaben am Nettosozialprodukt zu Faktorkosten (Volkseinkommen) in der Periode 1914 bis 1924 stark angewachsen ist, kann ohne weiteres angenommen werden; sehr viel schwieriger ist jedoch, wie dargelegt, die exakte Bestimmung dieses Prozesses. Dennoch ist hier der Versuch unternommen worden, mit Hilfe der Einkommenssteuernachweisungen eine Schätzung des Volkseinkommens in den Jahren 1914 bis 1924 vorzunehmen“ (Witt, a. a. O., S. 401; zu den von Witt verwendeten Quellen siehe das beigefügte PDF - Dokument). Kontrollberechnungen, die nach denselben Prinzipien auch für die Periode 1915 bis 1929 durchgeführt wurden, führten genauso zu recht großer Übereinstimmung mit Hoffmann’s Reihe (Hoffmann, a. a. O., S. 453ff) wie auch ein Vergleich mit anderen Schätzungen, die auf Indikatoren, wie Beschäftigungslage und Produktionsindizes einzelner industrieller Güter und der Landwirtschaft beruhen.
Nach der vorliegenden Schätzung scheint das Volkseinkommen im Kriege bis zu 21,2% unter dem von 1913 gelegen zu haben, fiel dann 1919 auf wenig über 70% des Standes von 1913 und stieg in den folgenden Jahren mit Ausnahme des Jahres 1923, in dem sich die Folgen der Ruhrbesetzung und der Inflation kumulierten, ständig an und erreichte in der Periode 1925 bis 1929 rd. 97,1% des Vorkriegsstandes“ (Witt, a. a. O., S. 401f).
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Sachliche Untergliederung der Datentabellen:
A. Statistische Übersichten, Zeitraum 1872 (1898) bis 1913
A.1 Entwicklung einzelner Reichseinnahmezweige, in Mill. Mark (1872-1905)
A.2a Reichsausgaben nach Verwaltungszweigen, Nettoetat in Mill. Mark (1872-1913)
A.2b Verteilung der Rüstungsausgaben, Nettoetat in Mill. Mark (1901-1913)
A.3 Entwicklung der personellen Stärke von Heer und Flotte (1875-1914)
A.4 Entwicklung der Reichsschulden, in Mill. Mark (1877-1913)
A.5 Arbeitsmarktlage, Angaben in 1000 (1898-1913)
A.6 Lebenshaltungskosten und Löhne, Index 1900=100 (1898-1913)
A.7 Wirtschaftliche Entwicklung, in Mrd. Mark (1898-1913)
B. Reichseinnahmen und Reichsausgaben, 1901 bis 1913
B.1a Die Reichseinnahmen, in Millionen Mark (1901-1913)
B.1b Die Reichseinnahmen, in Prozent (1901-1913)
B.2 Entwicklung der Reichsfinanzen unter dem Schatzsekretär Freiherr von Stengel, in Mill. Mark (1904-1908)
B.3a Finanzplanung (ordentlicher Etat), Ausgaben der Ressorts in Mill. Mark (1909-1913)
B.3b Finanzplanung (ordentlicher Etat), Einnahmeschätzungen des Schatzamtes in Mill. Mark (1909-1913)
C. Öffentliche Ausgaben 1914 bis 1933/34
C.1 Öffentliche Ausgaben in Preisen von 1913 (1909-1929)
C.2 Nettosozialprodukt zu Faktorkosten, Anteil der öffentlichen Ausgaben am Nettosozialprodukt, in Preisen von 1913 (1909-1929)
A. Statistische Übersichten, Zeitraum 1872 (1898) bis 1913
A.1 Entwicklung einzelner Reichseinnahmezweige, in Mill. Mark (1872-1905)
A.2a Reichsausgaben nach Verwaltungszweigen, Nettoetat in Mill. Mark (1872-1913)
A.2b Verteilung der Rüstungsausgaben, Nettoetat in Mill. Mark (1901-1913)
A.3 Entwicklung der personellen Stärke von Heer und Flotte (1875-1914)
A.4 Entwicklung der Reichsschulden, in Mill. Mark (1877-1913)
A.5 Arbeitsmarktlage, Angaben in 1000 (1898-1913)
A.6 Lebenshaltungskosten und Löhne, Index 1900=100 (1898-1913)
A.7 Wirtschaftliche Entwicklung, in Mrd. Mark (1898-1913)
B. Reichseinnahmen und Reichsausgaben, 1901 bis 1913
B.1a Die Reichseinnahmen, in Millionen Mark (1901-1913)
B.1b Die Reichseinnahmen, in Prozent (1901-1913)
B.2 Entwicklung der Reichsfinanzen unter dem Schatzsekretär Freiherr von Stengel, in Mill. Mark (1904-1908)
B.3a Finanzplanung (ordentlicher Etat), Ausgaben der Ressorts in Mill. Mark (1909-1913)
B.3b Finanzplanung (ordentlicher Etat), Einnahmeschätzungen des Schatzamtes in Mill. Mark (1909-1913)
C. Öffentliche Ausgaben 1914 bis 1933/34
C.1 Öffentliche Ausgaben in Preisen von 1913 (1909-1929)
C.2 Nettosozialprodukt zu Faktorkosten, Anteil der öffentlichen Ausgaben am Nettosozialprodukt, in Preisen von 1913 (1909-1929)
Bearbeitungshinweise
Datum der Archivierung: September 2008
Jahr der Online-Publikation: 1970
Bearbeiter in GESIS: Jürgen Sensch/Desislava Pavlova
Version:Version 1.0.0
Zugangsklasse: A
Jahr der Online-Publikation: 1970
Bearbeiter in GESIS: Jürgen Sensch/Desislava Pavlova
Version:Version 1.0.0
Zugangsklasse: A
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